Im braunen Sumpf: Es begann mit Fotos
Wehrsport oder Paintball?
Dass Heinz Christian Strache der Neonazi-Szene angehörte, bevor er in der FPÖ Karriere machte, hatten Parteifreunde und JournalistInnen immer schon geahnt. Anfang 2007 bekamen sie erste Belege dafür in die Hand. Einstige „Kameraden“ aus dem rechtsextremen Umfeld hatten Straches innerparteilichen Gegnern Fotos zugespielt, die seine Beteiligung an Wehrsportübungen belegen. Über Ewald Stadler gelangten die verfänglichen Aufnahmen in die Medien: Strache und Kameraden, abgebildet in martialischer Aufmachung, wie sie für Wehrsportveranstaltungen der damaligen Neonazi-Szene typisch ist.
Strache trat die Flucht nach vorne an. In der „ZiB2“ präsentierte er selbst die Fotos der „harmlosen sportlichen Veranstaltung“. Keine Rede von Wehrsport, versuchte er sich zu rechtfertigen. Gotcha habe man gespielt, oder Paintball.1
Straches Verteidigung ist geschickt gewählt, weil sie zum Teil der Wahrheit entspricht. Gotcha und Paintball gibt es tatsächlich auch als harmlose Freizeitvergnügen. In den Achtzigerjahren aber waren diese Spiele fester Bestandteil jener Wehrsportübungen, mit denen sich junge Aktivisten der Neonazi-Szene auf die „Rückeroberung der Macht“ vorzubereiten glaubten.2
In der Anklageschrift eines der großen Neonazi-Prozesse war 1995 das Gotcha-Spiel Teil der Indizienkette. Im Verlauf solcher Wehrsportübungen seien mit CO2-Pistolen und Farbgeschoßen Kampfhandlungen simuliert worden, hatte der Staatsanwalt referiert. Dieses Schießen auf lebende Ziele habe nicht dem Aggressionsabbau gedient, „sondern der Überwindung der Scheu, auf Menschen zu schießen“.3
Erst im September 2008 erfuhr die Öffentlichkeit, dass die von Strache vorgelegten Fotos manipuliert waren. Bei einem handelte es sich um einen Ausschnitt, der nur zeigte, was der FPÖ-Chef einigermaßen plausibel als „harmlos“ hatte darstellen können. Jene Bildteile, auf denen Waffen zu sehen sind, waren vor der Weitergabe entfernt worden. Ein anderes Bild der Serie, das ihn als Vermummten in Kampfanzug mit Sturmgewehr und Pistole zeigt, hatte der FP-Chef gar nicht erst vorgelegt.4
Was auf den unverfälscht vorliegenden Fotos zu sehen ist, hat mit Gotcha oder Paintball wenig zu tun: Bei regulären Veranstaltungen sind Uniformen verpönt. Geschossen wird mit typischen Paintball-Pistolen. Auf den Fotos ist anderes zu sehen. Ein Sturmgewehr, das zumindest echt aussieht, eine doppelläufige Flinte, Kampfhandlungen mit Schlagstock und eine laut „ZiB“ „mehrdeutige Szene“, die auch als „nachgestellte Hinrichtung“ interpretiert werden könnte.5
Auch die Neonazi-Szene glaubte nicht an Straches Version. „Die Bilder sehen mir persönlich auch nicht nach Gotcha aus“, postete ein User im neonazistischen „forum-thiazi.net“*, das sich im Untertitel „Germanische Weltnetzgemeinschaft“ nennt.6 Andere User versuchten, Strache gegen Stadler in Schutz zu nehmen. „Wir wissen, dass Stadler und sein Christenumfeld uns Nationalsozialisten missbrauchen möchten, um Strache und die FPÖ anzupatzen.“7 Standesgemäß, wenn auch ohne erkennbaren Zusammenhang, endet der Eintrag mit „Judentum ist biologische Erbkriminalität“.
* Das „Thiazi“-Forum wurde Im Juni 2012 nach bundesweiten Razzien stillgelegt. Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) stufte Deutschlands größte Neonazi-Plattform, auf der gegen Juden, Ausländer und Moslems gehetzt, zur Gewalt aufgerufen, der Holocaust geleugnet und die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verteidigt wurde, als kriminelle Vereinigung ein.
Strache glaubt, die kriegerische Aufmachung erklären zu können: Man habe sich im Armyshop billige Kleidung gekauft.8 Für die Art der Bewaffnung bietet er zwei Versionen an. Zuerst behauptet er, die Ausrüstung sei geborgt gewesen. Danach habe man sie wieder zurückgegeben.9 Zwei Monate danach erzählt er, die Waffen in einem Geschäft im neunten Wiener Gemeindebe