Was ist ein UNO-Sonderberichterstatterüber Folter?
Der»Sonderberichterstatterüber Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe« ist eines der sogenannten»Sonderverfahren« des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen. Wie sich der Sicherheitsrat mit Fragen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit auseinandersetzt, so befasst sich der Menschenrechtsrat mit Fragen der Menschenrechte in allen Staaten der Welt. Beides sind politische Organe, das heißt, sie setzen sich aus Staaten zusammen, die dort von ihren Botschaftern, bei wichtigen Sitzungen auch von Ministern, vertreten werden. Während der Sicherheitsrat als das einzige Organ der Vereinten Nationen, das völkerrechtlich bindende Entscheidungen treffen und nötigenfalls auch mit politischen,ökonomischen oder gar militärischen Zwangsmitteln durchsetzen kann, seit der Gründung der Weltorganisation im Jahr 1945 besteht, wurde der Menschenrechtsrat erst 2006 geschaffen. Bis dahin wurden Menschenrechtsfragen in der dem Wirtschafts- und Sozialrat unterstellten Menschenrechtskommission beraten und beschlossen.
Untersuchungen durch unabhängige Experten
Neben der Ausarbeitung universeller normativer Standards und Verträge zum Schutz der Menschenrechte– von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948über die beiden Weltpakte 1966 oder die Konventionüber die Rechte des Kindes 1989 bis zur Konventionüber das erzwungene Verschwindenlassen 2006 – hat die Menschenrechtskommission schon in den 1960er Jahren begonnen, sich auch mit der konkreten Situation der Menschenrechte in aller Welt zu beschäftigen.
Einen Staat wegen Verletzungen der Menschenrechte zu kritisieren oder gar durch eine formelle Resolution zu verurteilen, ist natürlich eine politisch höchst brisante Angelegenheit, die von den betroffenen Regierungen auch heute noch oft als unzulässige Einmischung in ihre nationale Souveränität empfunden wird. Da die Versuchung für die Staaten groß ist, sich bei der Beurteilung der realen Menschenrechtssituation in anderen Staaten auch von politischen Kriterien leiten zu lassen, haben die in der Menschenrechtskommission vertretenen Staaten beschlossen, Untersuchungenüber konkrete Menschenrechtsverletzungen von unabhängigen Experten durchführen zu lassen.
Am Beginn dieser Entwicklung stand die Einsetzung von fünfköpfigen Arbeitsgruppen (je ein Experte oder eine Expertin aus einer der fünf geopolitischen Regionen), welche die Gesamtsituation der Menschenrechte in ausgewählten Staaten wie Südafrika, Israel oder Chile durch konkrete Missionen vor Ort untersuchen und der Kommission darüber berichten sollten. Seit den 1980er Jahren wurden diese Arbeitsgruppen zunehmend durch Einzelpersonen ersetzt, die meist Sonderberichterstatter (»Special Rapporteur«) genannt wurden.
Die Einsetzung dieser länderspezifischen Arbeitsgruppen oder Sonderberichterstatter erfolgte durch einen Mehrheitsbeschluss der Kommission, worin diese ihre Besorgnisüber schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte in den jeweiligen Staaten zum Ausdruck brachte. Wenn der Untersuchungsbericht dieser Arbeitsgruppen oder Sonderberichterstatter die Annahme bestätigte, dass die Menschenrechte in dem betreffenden Land auf systematische Weise verletzt wurden, so verlängerte die Kommission das Mandat dieser unabhängigen Experten für jeweils ein Jahr, bis sich die Lage der Menschenrechte entsprechend verbessert hatte. Im Fall Südafrikas wurde die Arbeitsgruppe erst nach dem Ende des Apartheid-Regimes im Jahr 1995 aufgelöst, im Fall Chiles mit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1990.
Die Sonderverfahren
Die Einsetzung dieser länderspezifischen Sonderverfahren, die natürlich zu einer Stigmatisierung der betreffenden Staaten führte, war die stärkste»Waffe« der Menschenrechtskommission. In den 1990er Jahren gab esüber 20 Staaten, deren Menschenrechtsverletzungen in diesemöffentlichen Sonderverfahren der Kommission an den Pranger gestellt wurden.
Diese»schwarze Liste« der Kommission umfasste Staaten wie El Salvador, Guatemala, Kuba, Haiti, Ruanda, Burundi, Zaire (Kongo),Äquatorialguinea, Sudan, Somalia, Israel, Irak, Iran, Afghanistan, Kambodscha, Myanmar (Burma) oder das ehemalige Jugoslawien. Auch wenn die Entscheidung der Kommission, einen Staat diesem Sonderverfahren zu unterwerfen, durch politische Motive mitbestimmt war, so stellt diese»schwarze Liste« dennoch eine ziemlich repräsentative Auswahl jener Staaten dar, in denen die Menschenrechte am Ende des 20. Jahrhunderts am stärksten verletzt wurden. Dennoch hat diese»Selektivität« der Kommission zu immer stärkerer Kritik und schließlich auch zur Ablösung der Kommission durch den Menschenrechtsrat im Jahr 2006 geführt.
Der Rat hat die»schwarze Liste« drastisch gekürzt, so dass heute nur mehr wenige Staaten wie Israel, Nordkorea, Myanmar (Burma) und kürzlich wieder der Iran diesem Sonderverfahren unterliegen.
Größere Bedeutung haben heute die thematischen Sonderverfahren. An ihrer Wiege stand die Einsetzung einer fünfköpfigen Arbeitsgruppeüber das erzwungene Verschwindenlassen im Jahr 1980, weil sich die Kommission nicht auf eine länderspezifische Untersuchung dieses Phänomens in Argentinien einigen konnte. Also wurde diese Arbeitsgruppe mit einem globalen Mandat ausgestattet. 1982 folgte die Einsetzung eines Sonderberichterstattersüber willkürliche Hinrichtungen, 1985über Folter, 1986über religiöse Intoleranz. Später wurden auch für spezifische Menschenrechtsverletzungen wie Kinderhandel oder Gewalt gegen Frauen und für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Mens