Lernen – mitten im Leben
Meinen Eltern bin ich für sehr vieles dankbar – auch wenn wir politisch manches unterschiedlich sehen. Unter anderem verdanke ich ihnen meine Leidenschaft für Bücher. Die große Bibliothek meiner Eltern war ein besonders prägendes Erlebnis – sie war ein einziges Abenteuer. Jedes Buch war für mich eine eigene Welt, in die ich eintauchte. Von den Klassikern bis zur Fach- und Unterhaltungsliteratur. Besonders gerne erinnere ich mich an die amerikanischen Politthriller aus den 70er Jahren, die mir letztlich das Volkswirtschaftsstudium schmackhaft machten: Ölpreise, Manipulationen an Börsen, Mord im Wirtschaftsmilieu – das war einfach faszinierend.
Bis heute ist es für mich ein reines Lust-Erlebnis, in einem Buchgeschäft zu schmökern, zu „browsen“, wie man im Internetzeitalter sagen könnte. Vor jedem Urlaub gibt es bei mir das Ritual: Zwei Stunden werden freigeschaufelt, ich gehe in ein Buchgeschäft, suche aus, kaufe ein – und dann gehe ich mit vier, fünf oder zehn Büchern nach Hause. Das Gefühl dabei ist jedes Mal: Lust!
Oder wenn ich zu jemandem in die Wohnung komme, schaue ich mir unweigerlich seine oder ihre Bibliothek an – und es ist für mich wie der Geruch einer guten Küche.
Ein besonderes Element meiner Schulzeit, das mich meine ganze weitere Laufbahn begleitete, ist, dass ich im Schottengymnasium besonders gelernt habe, mich auszudrücken und mit Sprache umzugehen. Uns unterrichtete der wunderbare Pater Heinrich, der später Direktor und Abt wurde. Dieser Pater Heinrich hat dem 14-jährigen Christoph in der 6. Klasse die Lyrik nähergebracht. Goethe, Heine, Rilke, Trakl – ich erinnere mich beispielsweise an eine Schularbeit, bei der wir vier Stunden Zeit hatten, einen Sechszeiler zu analysieren. Herrlich! Für mich persönlich ist auch heute noch der Umgang mit Sprache eine elementare Bildungs-Errungenschaft.
Ich habe später immer wieder gern und viel geschrieben. Für einige Zeitungen – in jüngster Zeit kamen mein Blog, Facebook und Twitter dazu. Mich ausdrücken zu können, hat mir auf meinem Lebensweg viel ermöglicht.
Daher ist es für mich heute noch eines der Top-3-Ziele für eine gute Schule: Ebne den Kindern und Jugendlichen den Weg zum Buch. Vermittle ihnen die Lust am Lesen. Wenn 66 Prozent der Burschen heute beim Pisa-Test sagen, sie nehmen freiwillig kein Buch in die Hand, ist das für mich, als würde man den Stephansdom niederreißen oder die Hainburger Au niederbaggern.
Was Lernen bedeutet
Erzähle es mir – und ich werde es vergessen. Zeige es mir – und ich werde mich erinnern. Lass es mich tun – und ich werde es behalten.(Konfuzius)
Die österreichische Bildungspolitik ist an einem traurigen Tiefpunkt angelangt. Einerseits sind wir mit einem jahrzehntelangen, immer stärkeren Unbehagen gegenüber der allgemeinen Bildungssituation konfrontiert – gleichzeitig verstrickt sich die politische Bildungsdiskussion mehr und mehr in Kompetenzfragen. Sind die Schulen nun Bundes- oder Landessache, wann sind schulautonome Tage, wie lange sollen die Ferien sein, Gesamtschule ja oder nein. Und wenn alle paar Jahre ein neuer, vernichtender Pisa-Test präsentiert wird, schrecken alle kurz hoch, diskutieren heftig, wie viel Lehrpersonal nötig ist und wie viele Stundeneinheiten geschaffen werden sollen – und das war’s dann auch schon wieder.
Aber interessanterweise gibt es so gut wie keine Diskussion über Unterrichtsinhalte und die Art der Vermittlung. Also darüber, was eigentlich zwischen Jugendlichen und Lehrern stattfindet – oder stattfinden sollte.
Was heißt heute eigentlich Lernen? Diese Diskussion wird kaum bis überhaupt nicht geführt. Genauso wenig gibt es