Die Kaiserin und der »Sonnenkönig«
Ministerratssitzung am 4. Mai 1982: Die Zeichen in der SPÖ-Alleinregierung standen auf Sturm. Erste Umfragen besagten einen klaren Erfolg des ÖVP-Volksbegehrens gegen das Konferenzzentrum in der UNO-City. (Tatsächlich wurde es dann mit 1,4 Millionen Unterschriften unterstützt.) Aber noch hoffte die SPÖ, das ORF-Duell zwischen Kanzler Bruno Kreisky und ÖVP-Chef Alois Mock am 7. Mai 1982 könnte einen Meinungsumschwung herbeiführen. Es sollte aber auch ein Fitnesstest dafür sein, ob der von schweren Augen- und Nierenleiden (Dialysepatient) gezeichnete Regierungschef bei der Nationalratswahl 1983 erneut antreten konnte. »Der Kanzler ist nach dem Ministerrat dennoch auf Ihr [anachronistisches?] Thema ansprechbar«, versicherte mir dessen Pressesprecher Wolfgang Petritsch. Dabei ging es um das Schicksal der letzten österreichischen Kaiserin und Königin von Ungarn, Zita.
Anfang Mai 1982 hatte mich ein Anruf aus dem verträumten Renaissanceschloss Waldstein in Übelbach bei Graz erreicht. Am Telefon meldete sich Elisabeth von Liechtenstein, die jüngste Tochter von Kaiser Karl und Kaiserin Zita. »Meine Mutter wird jetzt 90, ist schon seit 63 Jahren im Exil und möchte nach Österreich zurückkehren«, erklärte sie. Mit dem Nachsatz: »Ohne auf etwaige Herrschaftsansprüche zu verzichten.« Und: »Können Sie uns unterstützen?«
Als ich Bruno Kreisky nach dem Pressefoyer des Ministerrats im Steinsaal darauf ansprach, grantelte er: »Also so viel Republikaner müssen Sie schon sein, Herr Kindermann, dass Sie sagen: ›Ex-Kaiserin‹.« In versöhnlicherem Ton fügte er noch hinzu: »Der spanische König Juan Carlos hat mich schon auf Mallorca auf diese Problematik angesprochen. Und ich habe ihm versprochen, eine menschliche Lösung zu finden.«
Typisch österreichische Lösung?
»Und wie könnte die ausschauen?«, hinterfragte ich bei Bruno Kreisky, dem taxfrei der Titel »Sonnenkönig« verliehen worden war, keck. »Na ja, wir werden der Ex-Kaiserin ein Durchreisevisum ausstellen – und keiner wird nachschauen, ob sie dageblieben ist«, brummelte er.
Also eine typisch österreichische Lösung, die sich letztlich aber erübrigte, weil Ludwig Adamovich den Stein der Weisen fand. Er war damals Leiter des Verfassungsdienstes im Kanzleramt, später oberster Verfassungshüter der Nation – und ist heute Berater von Bundespräsident Heinz Fischer. Auf dem Weg zu seinem Büro im zweiten Stock des Leopoldinischen Traktes der Hofburg überwiegt imperialer Glanz: eine Saalflucht mit Konferenz- und Veranstaltungsräumen. Alles in gold-weißem Neo-Barockstil: mit roten Teppichen, Riesenspiegeln, Kachelöfen, Ananas-Damast-Tapeten, Gemälden von Monarchen wie Leopold II., aber auch den bisherigen Bundespräsidenten der Zweiten Republik.
»Ich habe mich damals auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1980 gestützt«, erinnert sich Ludwig Adamovich. Es besagte, dass laut § 2 des Habsburger-Gesetzes 1919 nur jene Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen landesverwiesen seien, die kraft Abstammung einen Nachfolgeanspruch auf den Thron hätten. Und das auch nur dann, wenn sie nicht ausdrücklich auf ihre Mitgliedschaft zur eigenen Familie verzichtet und sich als getreue Staatsbür