: Erwin Riess
: Herr Groll und der rote Strom
: Otto Müller Verlag
: 9783701361700
: 1
: CHF 16.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 277
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im Morgengrauen strandet die Leiche einer jungen Frau auf einer Schotterbank. Drei vermögende Herren verfallen in Panik, und ein herzkranker Daubelfischer übernimmt sich mit einem Erpressungsversuch. Mit Hilfe seines Freundes, des Dozenten, versucht Groll, einer höheren Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Erwin Riess komponiert eine packende Story um die scharfe Klassentrennung in der Donaumetropole. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise entfaltet sich zwischen den Nobelbezirken Hietzing und Döbling und den Arbeiterbezirken an der Donau ein erbitterter Kampf um sexuelle und ökonomische Macht, bürgerliche Reputation und existentielle Würde. Was geschieht, wenn die Angehörigen der unteren Stände ihren Anteil am Glück einfordern und dabei vor ungewöhnlichen Mitteln nicht zurückschrecken, davon weiß Erwin Riess mit Realismus und Witz zu erzählen. In guter Tradition der bisherigen Groll-Romane sind die zum Teil haarsträubenden Unternehmungen der Protagonisten in einen steten Fluss teils skurriler, teils scharfsichtiger Erörterungen der Welträtsel eingebettet. Und nicht zufällig ist es der große Strom, der die Entscheidung herbeiführt. Eine Kriminal-Groteske, packend von der ersten bis zu letzten Seite.

Erwin Riess geboren 1957, Studium der Politik- und Theaterwissenschaft in Wien, verschiedene Tätigkeiten, Rollstuhlfahrer seit 1983, seit 1994 freier Schriftsteller, Aktivist der Behindertenbewegung. Zwölf Theaterstücke, zuletzt 'Der Don Giovanni-Komplex' (Mozartjahr/Wiener Festwochen 2006), Hörspiele, Drehbücher, Prosa.

1. Kapitel


Eine Versorgungsfahrt mit Bedacht und eine Wasserleiche in Rot.
Ein Oberlehrer ohne Namen und ein Jugendamt in Sorge

An einem schwülen Junitag fuhr ich mit meinem klapprigen Renault 5 den Treppelweg bei Stromkilometer neunzehnhundertachtzig bergwärts. In den Alpen hatte es tagelang geregnet, die Donau würde in den kommenden Stunden die Hochwassermarke überschreiten. Die Sonne war durch den Dunst gebrochen, eine steife Brise strich vom Osten her über den Strom und wirbelte weiße Gischtwolken über die Fahrrinne. Es roch nach frischer Erde und moderndem Holz, und in der Luft tanzten weiße, klebrige Flocken – Pappelblüten. Sommerschnee sagen die Menschen am Strom dazu, je dichter der Sommerschnee, desto zarter die Fische und desto fruchtbarer das Land. Ist die Natur freigebig, reagieren die Menschen mit Geiz und Neid. Einige erfreuen sich aber auch am Müßiggang. Ich gehöre weder der einen noch der anderen Gruppe an und sah den kommenden Wochen mit Zuversicht entgegen.

Es würde ein guter Sommer werden. Mit regem Schiffsverkehr, dem einen oder anderen Karpfen aus Horsts Daube, und vielleicht würden Juri und ich Glück haben und einen schönen Hecht an Land bringen, den wir über dem offenen Feuer braten könnten. Eine kleine Rauchfahne würde aufsteigen und zum Fluß hinunterziehen, und es würde eine träge Schwüle über allem hängen, die abends aus dem Auwald kriecht und erst nach Mitternacht verdampft. In manchen Nächten würde die Schwüle bleiben, und es würden gute Nächte sein, in denen die Vögel aufgeregt plappern, wenn sie den Mond wie ein weißes Schild über der schwarzen Phalanx der Pappeln sehen. Musikdampfer und Kreuzfahrtschiffe würden vorüberrauschen, mit bunten Lampions und Girlanden am Tanzdeck, und Musikfetzen würden mit der Heckwelle mitgeschleppt werden und a