MITTWOCH 22.5.
6
Rauscher kam frühmorgens in sein Büro. Krause war noch nicht im Präsidium, also stürzte er sich auf die Ermittlungsakte im Banker-Fall. Er wollte unbedingt die aktuellen Ermittlungsergebnisse kennen, bevor er mit Krause darüber sprach.
Das erste Opfer hieß Armando Terzlaff, 43 Jahre alt, verheiratet mit Ina Terzlaff, kinderlos, wohnhaft im Diplomatenviertel in Bockenheim. Angeblich großer Freundes- und Bekanntenkreis in der Frankfurter High Society.
Terzlaff war direkt nach Feierabend vom Büro nach Hause gefahren, wo es passiert war. Etwa fünfzig Leute aus seinem engeren Bekanntenkreis waren befragt worden. Keiner hatte eine Idee, warum Terzlaff ermordet worden war. Zeit seines Lebens sei er ein tadelloser Mensch gewesen, immer nett und freundlich, hilfsbereit. Überaus spendabel. Jemand, mit dem man gerne die Zeit verbrachte.
Das zweite Opfer, Konstantin Verbeuten, ebenfalls 43, war ledig und wohnte im Dichterviertel in einem großen Einfamilienhaus. Er war Terzlaffs Kompagnon bei Money Inc., einer Finanzberatungs- und Beteiligungsfirma, die die beiden vor etwa fünf Jahren gegründet hatten. Zuvor waren sie zehn Jahre lang bei der gleichen Bank angestellt.
Verbeuten sei immer an Terzlaffs Seite anzutreffen gewesen, hatten alle Befragten geäußert und sich zutiefst schockiert über seinen Tod gezeigt. Einen Verdacht, wer Terzlaff oder Verbeuten umgebracht haben konnte, hatte niemand. Auch zur Mordmethode gab es keine brauchbare Aussage. Auffällig war, dass die Autos der Opfer nicht auffindbar waren.
Rauscher betrachtete eingehend die Bilder der Toten, die ein Fotograf aus sämtlichen denkbaren Perspektiven geschossen hatte. Bei beiden Bankern ragte das hintere Ende eines mit Federn geschmückten Holzpfeiles aus der Brust, genau dort, wo man als Laie das Herz vermutete.
Das Opfer Terzlaff trug ein weißes Hemd, das kreisrund um den Pfeilschaft blutbefleckt war. Der Körper lag schräg in einem Strauch, unmittelbar vor einer niedrigen Steinmauer.
Weiter kam Rauscher nicht, denn seine Bürotür flog auf und Jan Krause, sein engster Kollege und Freund, kam herein.
„Moin, moin. Manche Beamte sehen echt aus wie Zombies, wenn sie morgens durch die Gänge schleichen. Möchte wissen, was die nachts so treiben, ne.“
„Sagt der Richtige.“ Rauscher lachte. Er erinnerte sich noch lebhaft an die Zeit, als Krause jeden Tag völlig übermüdet zum Dienst erschienen war, weil er sich nachts mit seiner neuen Eroberung Debbie vergnügt hatte. „Wo ist eigentlich Frau Winter?“
„Hat zur gleichen Zeit Urlaub genommen wie du. Das Sekretariat ist vorerst unbesetzt. Was hört man denn auf den heiligen Fluren?“ fragte Krause. „Du bist dabei? Gibt’s doch nicht, ne!“ Und nach kurzer Pause: „Hast ganz schön zugelegt, wa?“
„Jetzt fang du auch noch an.“ Krause nahm sich eine Tasse aus dem Regal und goss sich aus einer Kanne Kaffee ein, gab vier Stück Würfelzucker hinein und rührte um.
„Bin ich froh“, sagte Krause nach einem kräftigen Schluck „hatte schon befürchtet, alleine den Zampano spielen zu müssen.“
„Was war denn eigentlich mit Thaler los?“, fragte Rauscher. „Du warst doch dabei.“
„Ja, Mensch. Hat wohl die Nerven verloren. Das war eine reine Routinebefragung draußen in Bonames. Der Kurde war Zeuge in einem Tötungsdelikt. Aber seit Monaten sind wir hinter ihm hergerannt und haben ihn nie erwischt. Naja, wir stehen im Eingangsbereich seiner Wohnung und unterhalten uns. Und da greift der Kurde plötzlich in seine Hosentasche. Thaler zückt seine Pistole, schießt und erwischt ihn am