: Gerd Fischer
: Der Mann mit den zarten Händen: Frankfurt-Krimi Kommissar Rauscher 3
: mainbook Verlag
: 9783981357165
: Frankfurt-Krimis
: 1
: CHF 4.50
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 230
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Frankfurter Krimi-Serie um Kommissar Andreas Rauscher. Bisher erschienen: 'Mord auf Bali' 2006 (Neuauflage 2011), 'Lauf in den Tod' 2010, 'Der Mann mit den zarten Händen' 2010, 'Robin Tod' 2011, 'Paukersterben' 2012, 'Fliegeralarm' 2013, 'Abgerippt' 2014, 'Bockenheim schreibt ein Buch' (Hrsg.) 2015, 'Einzige Liebe - Eintracht-Frankfurt-Krimi' Februar 2017, 'Ebbelwoijunkie' Dezember 2017, 'Frau Rauschers Erbe' 2018 und 'Der Apfelwein-Botschafter' 2021. Zudem der Thriller 'Rotlicht Frankfurt' 2019. Ein einsames Leben. Eine außergewöhnliche Gabe. Ein tödliches Schäferstündchen. In einem Bornheimer Mietshaus wird Marie-Luisa Bonner, 46, unter seltsamen Umständen getötet. In seinem dritten Fall stößt Andreas Rauscher, Frankfurter Kommissar und Apfelweinliebhaber, zunächst nur auf mysteriöse Blutergüsse, ein blondes Haar und viele offene Fragen. Es entwickelt sich ein mitreißender Krimi, der von einsamen Herzen, unerfüllten Sehnsüchten und schuldigen Händen handelt.

Gerd Fischer hat 10 Marathons, ein Germanistik-Studium und ca. 12 Jahre Werbetexterei in den Knochen. 2006 veröffentlichte er seinen ersten Krimi 'Mord auf Bali', gleichzeitig Kommissar Rauschers erster Fall (2011 neu aufgelegt). Es folgten 'Lauf in den Tod', 'Der Mann mit den zarten Händen' und 'Robin Tod'. Gerd Fischer wurde 1970 in Hanau geboren. Er lebt und arbeitet seit 1991 in Frankfurt-Bockenheim. Er hat Germanistik, Kunstgeschichte und Politik an der Johann Wolfgang Goethe-Uni studiert und arbeitet zurzeit auch als Lektor.

Null


An meinen Händen klebt Blut. Sie schmerzen. Am liebsten würde ich sie abschneiden, um weiteres Unheil zu verhindern. Doch ich brauche sie noch. Sie müssen die Vorkommnisse aufschreiben, damit die Wahrheit ans Licht kommt. Ungeschehen mache ich dadurch nichts, aber vielleicht vermögen diese Zeilen meine Hände und mein Gewissen reinzuwaschen.

Ich sitze hier in diesem kleinen Raum, in dem nur ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch und ein schmaler Schrank stehen. Wenn ich durch das winzige Fenster schaue, kommt mir die Erinnerung vor wie ein ferner Streifen am Horizont, unerreichbar weit weg. Aber die dicken weißen Wände schreien mich an: Schuldig!

Nur ich bin in der Lage, die Wahrheit niederzuschreiben. Denn ich bin der Einzige, der alles von Anfang an miterlebt hat. Mit jeder Zeile berge und befreie ich sie, erwecke mein Gedächtnis neu zum Leben. Das erfordert Disziplin. Ich darf mich nicht ablenken lassen. Deshalb fange ich an. Dort, wo alles begann, vor etwa dreizehn Jahren, im Haus meines Onkels. Verdammt sei es!

Ich besitze eine Fotografie, die das Haus neben den anderen in der Straße zeigt. Ich hütete sie jahrelang wie einen Schatz und habe sie oft angeschaut, seit dem Tag, an dem ich dieses Haus zum letzten Mal betreten durfte.

Auf dem Foto – ich bin sechs oder sieben Jahre alt – stehe ich neben Onkel Manfred und Tante Klara. Direkt vor dem Haus. Eine Art Landhaus mitten in der Stadt, das sich deutlich von den anderen Häusern in der Straße abhebt.

Schlichtheit und Größe, sagte Onkel Manfred immer, sei eine kluge Kombination. Ich hatte nie richtig verstanden, wie er das meinte, aber wenn ich das Foto betrachtete, dachte ich, dass er damit den geräumigen Hof meinte, an den fünf Garagen grenzten, die langgezogene, leicht ansteigende Einfahrt, umringt von Platanen, den kurzgeschnittenen Rasen, den penibel angelegte Beete säumten, und den dunklen Teich hinterm Haus. Eine Oase inmitten des Getöses der Großstadt.

Haus und Grundstück waren einfach gehalten, schmucklos. Nicht protzig, aber großzügig, denn Onkel Manfred benötigte Platz, um seine Oldtimer zu reparieren. Jede freie Minute widmete er ihnen. Wertvoll sahen sie aus, blitzblank poliert.

Ich mochte das Haus meines Onkels schon deshalb, weil ich mit meinen Eltern immer in einer engen, miefigen Mietwohnung gelebt habe. Der Tag, an dem ich es zum letzten Mal betreten habe, ist in meinem Gedächtnis eingebrannt. Es war der 11.Oktober 1996 kurz vor meinem 14. Geburtstag.

Ich sollte auf Sabin, meine siebenjährige Cousine, aufpassen. Nur vier oder fünf Stunden, bis Onkel und Tante aus der Oper zurückkämen.

Als ich klingelte, war Tante Klara bereits ausgehfertig. Ihr rosa Kleid schien mir einen Tick zu exklusiv und die vielen Klunker glitzerten. Tante Klara empfing mich mit einem freundlichen Händedruck und ihrem Gesicht sah ich an, dass sie sich wahnsinnig auf die Oper freute. Onkel Manfred war ebenfalls bester Laune. Er warf sich ein Jackett über den Arm, lächelte mir zu und trat ins Freie. Seine herzliche Art erinnerte mich so gar nicht an meinen Vater.

Nachdem auch meine Tante endlich das Haus verlassen hatte, nicht ohne mich vorher ausdrücklich auf meine Pflichten als Babysitter hinzuweisen – Bettruhe für Sabin ab 21 Uhr, vorher sollte sie noch aufs Klo gehen und Zähneputzen nicht vergessen – setzte ich mich vor die Glotze und zappte drauf los. Zwanzig Programme zogen mich magisch an.

Zwischendurch stand ich mal auf, um nach Sabin zu schauen. Als ich von oben ihren leisen, fröhlichen Gesang hörte, ging ich davon aus, dass sie glücklich beschäftigt mit ihren Lieblingspuppen spielte, und machte es mir wieder im Sessel gemütlich.

Es war noch nicht annähernd neun, aber auf der Mattscheibe herrschte Langeweile. Also schlenderte ich durchs Haus.

Unglaublich, was Onkel Manfred und Tante Klara alles sammelten. An allen Wänden hingen Bilder, großflächige Landschaften und dunkle Stillleben. In jedem Zimmer antike Schränke, alte Kommoden und in den Regalen und feingearbeiteten Vitrinen st