: Doris Knecht
: Hurra Wien - Zürich - Wien. Anleitung zum Doppelleben in 111 Schritten
: Czernin Verlag
: 9783707604153
: 1
: CHF 6.30
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: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 248
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wie geht man als gelernte Wienerin mit den Schweizer Sitten um? Wie findet man neue Freunde? Wie lebt man als Frau unter Männern? Und: Wie bekommt man Zwillinge, die ihre Mutter einst eine 'ganz normale Frau mit einem Gehirn, mit Stöckelschuhen, feschen Blusen und einem an der rechten Hand festgewachsenen Gin-Tonic-Glas', in konsequent grenzwertigen Situationen bringen? Als Doris Knecht im Oktober 2000 nach Zürich übersiedelte, um Redakteurin des 'Tages Anzeiger Magazin' zu werden, glaubte sie, das Leben in Zürich werde sich vom Leben in Wien nicht wesentlich unterscheiden. Sie irrte, wie sie im Jänner 2001 berichten konnte: 'Im Unterschied zu allen nicht an Beatmungsgeräten angeschlossenen Wienern denkt der männliche Zürcher nämlich nicht 24 Stunden am Tag an Sex. Falls er überhaupt je an Sex denkt, kann er es ausgezeichnet verbergen. Das finde ich beunruhigend.' Diese Erkenntnis, in ihrer ersten 'Magazin'-Kolumne mitgeteilt, stieß bei den Zürcherinnen und Zürchern auf erhebliches Interesse, weshalb der ersten Kolumne viele weitere folgten - bislang mehr als 130. In diesem Sinne ist 'Hurra' eine amüsante Fortsetzungskolumne in mehr als 100 Kapiteln: eine kontinuierliche Erzählung vom Pendeln zwischen zwei Städten, vom Dasein ohne Kinder und mit ihnen. Wie im richtigen Leben ungefähr. Noch mehr Kolumnen von Doris Knecht: Band 2: So geht das! Wie man fidel verspießert Band 3: Gut, ihr habt gewonnen. Neue Geschichten vom Leben unter Kindern Band 4: Darf's sonst noch was sein? Mehr Geschichten vom Leben unter Kindern

Doris Knecht, geboren in Vorarlberg, ist Kolumnistin des Kurier und schreibt eine wöchentliche Kolumne für den Falter, die nun iin bereits vier Czernin-Bänden zusammengefasst wurde. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.

Don’t try this at home


Wann immer ich versuche, ein gewisses Bildungsniveau zu beweisen, mache ich mich sofort zum Affen. Die Zuschriften, die mich erbost bezüglich Montaigne korrigieren, den ich letztes Mal bemühte, sind sicherlich bereits auf dem Postweg, mit Feder und Tinte verfasst, wie ich das von echten Montaigne-Experten erwarte. Die Zurechtweisung bezüglich Chandler ist schon da und kam passenderweise per E-Mail, denn „I’m old, tired and full of no coffee“ entstamme, so Leser Y. G. R., keineswegs dem Roman „The Big Sleep“, sondern finde sich in „Playback“, was ich momentan nicht verifizieren kann, da meine Ausgaben dieser Werke sich in Wien befinden, ich aber nicht. Wir sind auf Reisen, der Lange, die Mimis und ich.

Und im Unterschied zu Montaigne kamen wir auf unserer Reise auch nach Zürich, und da wir gerade beim Zurechtweisen sind, muss mich zuerst schnell über zwei augenfällige Veränderungen beschweren: Erstens beliebt der Zürcher Autofahrer vor dem Zebrastreifen nicht mehr stets stehen zu bleiben, wie er das bis März absolut verlässlich getan hat. Ich habe während meiner Zeit in Zürich meine Wiener Gäste gerne mit einem kleinen Kunststück in hysterisches Geschrei versetzt, indem ich – don’t try this at home, kids! – mit geschlossenen Augen, ohne vorher rechts und links geschaut zu haben, auf den Zebrastreifen trat und diesen immer lebend und unversehrt überschritt. In Wien, wo es Autolenkern ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben ist, vor Zebrastreifen zu halten, würde man mit hundertprozentiger Sicherheit beim ersten derartigen Versuch totgefahren werden. In Zürich nun gleichfalls; und damit ist ein weiterer Schritt in Richtung EU-Tauglichkeit getan.

Zweitens ist das Personal in den Lokalen unfreundlicher geworden; wie ich zuerst ein wenig im Café „Gloria“ und dann wesentlich massiver im „Terrasse“ beobachten durfte. Im Garten des „Terrasse“ wurde ich beinahe wirklich böse und hatte mir auch schon ausgedacht, wie ich reagieren würde, wenn mir dieser offenbar enorm wichtige Mensch, der die Kellner herumkommandierte, tatsächlich blöd gekommen wäre. Er intensivierte dann aber nur die Missbilligung in seinem Blick. Unser Vergehen war offensichtlich; a) konsumierten der Lange und ich samstagmittags um halb zwei an einem Tisch, der eindeutig mit Messern und Gabeln gekennzeichnet war, nur mehrere Getränke, b) greinte währenddessen eine der Mimis auf meinem Schoss. Beides ist, so teilten mir die Blicke von Herrn Wichtig unmissverständlich mit, im „Terrasse“ streng verboten.

Doch, ich erspare wann immer möglich den anderen Gästen gediegener Restaurants meine greinenden Kinder, schon weil ich in meiner Prä-Mimi-Zeit allen anderen Eltern dankbar war, dass ich im gediegenen Restaurant ohne Kindergeschrei speisen durfte. Ich vergesse so was nicht. Allerdings handelt es sich beim Garten des „Terrasse“ um eine begrünte Verkehrsinsel zwischen, wenn ich mich recht erinnere, einer zwei- und einer dreispurigen Straße, wo also von vornherein nicht die Ruhe einer nächtlichen Kathedrale herrscht. Egal, ansonsten war es toll in Zürich, und natürlich hab ich Haemmerli getroffen; über beides wird noch zu berichten sein.

Haemmerli B. Goode


Auf unserer Reise verschlug es uns auch in Gegenden, in denen Sätze mit den Worten beginnen können: „Als ich gestern gerade die Fransen meiner Teppiche kämmte, klingelte es an der Tür und …“ Nein, Sie wollen ganz bestimmt nicht wissen, wie der Satz weitergeht.

Diese Konversation wurde nicht in Zürich geführt, in Zürich war es schön. Ich trank mit Haemmerli, die Mimis krallten sich glücklich in Rosis und Kathis große, weiche Brüste (so was kriegen sie ja zu Hause nicht), verschliefen aber Rosis komplettes Gartenfest, weshalb ihre Schönheit und Anmut von Dr. Robert und den anderen Zürcher Freunden im Dunkeln kaum ausreichend gewürdigt werden konnte. Und, ach ja!, wir wohnten bei Ossi, mit dem ich, wer sich erinnert, früher schon wohnte.

Sie haben Ossi wohnungstauschtechnisch ja schwer im Stich gelassen, Leserinnen und Leser, wofür ich Ihnen insgeheim herzlic