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Die Dunkelheit hat ihren Reiz, und selbst in unserem Heimatort kann die Welt nachts so verzaubert sein wie in jeder fremden Hafenstadt mit ihrer exotischen Architektur. Zwischen der Abenddämmerung und dem Morgengrauen ist das Alltägliche voller visueller Freuden, die nur der Mond, die Sterne und reich strukturierte Schatten bieten können.
Aber pechschwarze Düsternis hat nichts anderes zu bieten als die fiebrigen Bilder unserer Vorstellungskraft. Und wenn wir absolute Lichtlosigkeit mit einer grotesken Mumie teilen, die aus einem Mund voller Kreissägenzähne das Geräusch einer schreienden Katze ausstößt, wird das Verlangen nach Licht so immens, dass wir uns, bloß um Licht zu haben, selbst anzünden könnten, wenn wir ein Streichholz hätten.
Zum Glück habe ich kein Streichholz, und mir bleibt die Selbstverbrennung erspart, aber Jolie Harmony hat ihre winzige Taschenlampe, zu der sie– wenn ihr meine wohlüberlegte Meinung hören wollt– unter den gegebenen Umständen viel zu langsam Zuflucht nimmt. Als sie sie endlich anschaltet, richtet sie den Strahl auf mich oder, genauer gesagt, auf meine Knie, da ich auf dem Boden des Korridors sitze, als die Lichter ausgehen und der ausgedörrte Leichnam zu kreischen beginnt, aber dann springe ich so abrupt auf, wie ein kurioser Zahnstocherspender mit einer eingebauten Feder, der einem nach dem Abendessen ein Holzstäbchen anbietet. Der Strahl ist so schmal, dass er nur auf eines meiner Knie fällt, und statt ihn nach links zu schwenken, wo die monströsen Überreste zuletzt gesehen wurden, richtet das Mädchen ihn nach oben, auf mein Gesicht, als hätte sie vergessen, wen sie hierher mitgenommen hat, und müsste sich meiner Identität vergewissern.
Jolie ist zwölf, und ich bin fast zweiundzwanzig, und daher obliegt es mir, mich wie der Erwachsene in diesem Raum zu benehmen– auch wenn es nur ein Korridor ist. Ich darf nicht schreien wie ein kleines Mädchen, denn nicht einmal das kleine Mädchen schreit. Bevor dieses Abenteuer ein Ende findet, werde ich mich, da ich nun mal ein Mensch bin, zweifellos auf jede erdenkliche Art blamiert haben; daher wird es, je länger ich es hinauszögern kann, mich idiotisch zu benehmen, umso weniger demütigend sein, wenn ich ihr zum Abschied ins Gesicht sehen muss, direkt bevor ich mit meinem treuen Gefährten Tonto in den Sonnenuntergang reite. Also blinzele ich souveräner, als ich erwarte, in das Licht und sage in einem gemessenen Tonfall: »Zeig mir die Mumie.«
Der Strahl wandert über meine steifen Arme zu der Pistole, die ich in einem beidhändigen Griff halte, senkt sich von der Pistole auf den Boden, schwenkt ein Stück nach links und zeigt, dass ich mein Ziel in der Dunkelheit verfehlt hätte. Das Geschöpf, für das ich keine biologische Klassifizierung habe, liegt noch auf dem Rücken, in der verhutzelten Pose eines saftlosen Todes. Der einzige Teil von ihm, der sich bewegt, ist seine linke Hand, knochige Finger, die gegen den Boden klappern, als sei es zu Lebzei