: Christine Lehmann
: Eukalyptusmond
: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
: 9783522651752
: 1
: CHF 15.90
:
: Jugendbücher ab 12 Jahre
: German
: 512
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als Lena für ein Jahr zum Work& Travel nach Australien kommt, ist sie voller großer Erwartungen. Doch statt die plötzliche Freiheit zu genießen und die pulsierenden Metropolen zu erkunden, landet sie auf der Walker Farm im hintersten Winkel von Queensland. Hier erwartet sie nichts als unberührte Wildnis und harte Arbeit. Der einzige Lichtblick ist der Buschpilot Bran, der Sohn ihrer Arbeitgeber. Verschwiegen, distanziert, aber ungemein attraktiv. Nach und nach erfährt Lena, dass Bran einen Großteil seiner Kindheit bei einem Aboriginal-Stamm verbracht hat und spürt, dass es ein dunkles Geheimnis in seiner Vergangenheit gibt. Dennoch besteht eine seltsame Verbundenheit zwischen ihnen, denn beiden gemeinsam ist der große Traum vom Fliegen. Langsam öffnet sich Bran und führt Lena in die geheimnisvolle Kultur der Aboriginals ein. Dabei muss sie erkennen, dass die australische Gesellschaft die Ureinwohner nach wie vor nicht respektiert und noch immer von ihrem angestammten Land verdrängt. Zusammen mit Bran gerät sie zwischen die Fronten, als es darum geht, die Rechte der Ureinwohner zu verteidigen. Dadurch wird ihre Liebe immer stärker. Eine Liebe, die nicht sein kann, denn Lenas Tage in Australien sind gezählt. Und auch Brans dunkles Familiengeheimnis birgt eine große Gefahr ... Christine Lehmann, 1958 in Genf geboren, wollte bereits mit 14 Jahren Schriftstellerin werden. Nach dem Abitur studierte sie Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin arbeitet als Nachrichten-Redakteurin beim SWR. Darüber hinaus schreibt sie seit fast 20 Jahren Krimis und Liebesromane (Knaur, z.B. 'Der Bernsteinfischer', verfilmt mit Heiner Lauterbach, oder 'Die Liebesdiebin'), Essays, Kurzgeschichten für Anthologien und Kriminalhörspiele fürs Radio. Unter ihrem Pseudonym Madeleine Harstall erscheinen ihre historischen Romane. Christine Lehmann lebt mit ihrem Mann in Stuttgart.

Christine Lehmann, 1958 in Genf geboren, wollte bereits mit 14 Jahren Schriftstellerin werden. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin arbeitet als Nachrichten-Redakteurin beim SWR. Darüber hinaus schreibt sie seit fast 20 Jahren Krimis und Liebesromane, Essays, Kurzgeschichten für Anthologien und Kriminalhörspiele fürs Radio. Christine Lehmann lebt mit ihrem Mann in Stuttgart.

– 2 –


 

Brisbane lag zwischen Bergen und Meer. Ich hatte es von oben gesehen, als wir landeten. Der Fluss zog sich in Schleifen durchs Zentrum. An seinen Ufern standen Hochhäuser. Stahlbrücken, auf denen sich Autos stauten, überquerten ihn. Man fuhr links. Das wusste ich zwar, aber es war trotzdem total irritierend. Ich verlor sofort den Überblick, als wir vom Parkplatz am Flughafen in die Airport-Drive einbogen.

Ein riesiger blauer Himmel spannte sich über uns. Von der Zweimillionenstadt Brisbane sah ich nichts außer Hecken, Tankstellen, Leitplanken, Ampeln und gelegentlich mal ein Straßenlokal mit zwei Stühlen davor und Schildern, auf denenSeafood oderCoffee stand. Kurz fuhren wir an dem milchgrünen Brisbane River entlang. Danach dauerte es eine gute Stunde, bis wir die Stadt hinter uns gelassen hatten und in dem gekühlten, sehr neuen japanischen Geländewagen auf demHighway A2 gen Nordwesten rollten, meistens schnurgerade. DerHighway hatte mit unserer Autobahn nicht viel gemein außer den zwei Spuren in jede Richtung. Es gab aber weder Seitenbefestigungen noch Leitplanken. Der Asphalt franste einfach seitlich aus. Es fuhren kaum Autos.

Das Land war saftig grün und mit Blüten übersät. Frühling. Ein bisschen wie im Allgäu. Nur dass die Bäume anders aussahen: Palmen, Akazien mit gelben Blüten zwischen lanzettförmigen Blättern und die etwas lasch wirkenden Eukalyptusbäume mit ihren weiß gefleckten Stämmen.

Bran saß am Lenker auf der falschen Seite, also rechts, Jolie hatte sich auf dem Beifahrersitz zu mir umgedreht. Sie erzählte, dass sie in Sydney Biologie studierte und wegen einer Familienfeier für eine Woche nach Hause fuhr. Ihre Mutter wurde fünfzig. Ich schätzte Jolie auf Anfang zwanzig. Sie war zierlich, schlank und lebhaft, ihre dunklen Augen blitzten. Sie redete viel. Das meiste verstand ich nur so ungefähr. Australisch bestand aus langen Vokalen und vernuschelten Konsonanten. Das englische Wort»time« sprach Jolie nicht»teim« aus, wie ich es gelernt hatte, sondern»tom«. Deshalb kann es auch sein, dass sie mir erzählte, sie fahre heim, um zu heiraten oder weil ihre Schwester ein Kind bekam, keine Ahnung.

»Und du kommst direkt aus Deutschland?«, erkundigte sie sich.

»Ja, aus Tettnang. Das liegt in Süddeutschland am …« Was hieß Bodensee auf Englisch? Aber der Bodensee war hier vermutlich ohnehin gänzlich unbekannt.

»Und wie gefällt dir Australien?«

»Sehr gut. Hier ist alles so weit und offen.«

Sie lächelte. »Es kommen viele Deutsche hierher. Die Regierung möchte das. Deshalb hat man dasWorking Holiday-Visum geschaffen. Wir brauchen vor allem im Herbst Arbeitskräfte auf dem Land für die Ernte. Die Deutschen arbeiten allerdings am liebsten mit Tieren. Sie sind große Tierfreunde. Meine Mutter hat nie Probleme,Trainees für ihre Farm zu bekommen. Jeder möchte gern Koalabären streicheln und Kamelfohlen aufpäppeln.« Sie lachte und warf Bran einen kurzen Blick zu. Hatte er etwa was dagegen?

Aber er reagierte nicht. Ich sah von ihm sowieso nur die Schulter mit dem T-Shirt, dessen Schulternaht aufgeplatzt war, den Arm mit einer Uhr, den strohblonden Schopf, das Ohr. Er schaute kaum je zu Jolie herüber. Er schien keine Lust zu haben, sich am Gespräch zu beteiligen. Aber das störte nicht weiter. Anders als bei mir daheim. Wenn dort einer schwieg, fragte man sich, ob er was gegen einen hatte oder schlecht gelaunt war. Aber hier waren alle entspannter drauf und ließen die anderen sein, wie sie waren. Inzwischen hatte ich auch verstanden, dass er extra von der Walker-Station hergekommen war, dreizehnhundert Kilometer über denHighway, um Jolie vom Flughafen abzuholen. Vielleicht war er gar nicht ihr Freund, sondern ein Angestellter der Farm.

»Wir in Queensland«, fuhr Jolie fort, »haben ein unsentimentales Verhältnis zu Tieren. Wir züchten Rinder und Schafe, die werden verkauft und geschlachtet. Fertig. Dass jemand mutterlose Koalas einsammelt und einen Tierarzt bezahlt, damit er einem Waran eine Wunde zunäht, das hat die Leute hier anfangs befremdet. Aber inzwischen sehen sie ein, dass es Fremde in die Gegend lockt. Es ist nun mal so, dass Leute aus Europa ein romantischeres Verhältnis zu Tieren haben als wir. Sie fühlen sich gut, wenn sie Tieren helfen können.«

Darüber hatte ich so noch nicht nachgedacht. »Was ist denn schlecht daran, Tieren zu helfen? Sie sind auch Wesen. Sie empfinden auch Schmerzen.«

Jolie lachte freundlich. »Daran ist nichts schlecht. Meine Mutter macht eine tolle Arbeit, das wirst du sehen. Aber zur Tierfreundschaft gehört bei uns auch, dass man bestimmte Tiere