: Nora Roberts
: Im Licht der Sterne Roman
: Blanvalet
: 9783641099176
: Die Insel-Trilogie
: 1
: CHF 7.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 384
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als Nell Channing die Insel der drei Schwestern das erste Mal betritt, verspürt sie nach langer Zeit endlich wieder Frieden und Geborgenheit. Doch ihre wahre Identität muss weiterhin verborgen bleiben. Unter falschem Namen beginnt sie, im Café von Mia Devlin zu arbeiten, in der sie eine treue Freundin findet. Und auch der Sheriff der Insel - Zack Todd - kann sich der charmanten jungen Frau kaum entziehen. Aber dann holt Nells Vergangenheit sie schließlich doch ein ...

Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.

Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.

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INSEL DER DREI SCHWESTERN

Juni 2001

 

Sie blickte gespannt geradeaus, als das Land, aus der Ferne nichts weiter als ein Stück unebenes Grün, seine ersten Geheimnisse lüftete. Der Leuchtturm, natürlich. Was wäre eine New-England-Insel ohne ihren unerschütterlichen Speer? Dieser war von einem umfassenden, blendenden Weiß und erhob sich auf einer rauen Klippe. Wie es sich gehörte, dachte Nell.

Dicht neben dem Leuchtturm stand ein steinernes Haus, nebelgrau in dem grellen Sonnenlicht, mit spitzen Giebeln und – hoffte sie – dem so genannten Witwen-Ausguck, einer kleinen Plattform mit Balustrade rund um den Schornstein, auf der die Fischersfrauen nach ihren Männern Ausschau hielten.

Sie hatte Bilder vom Licht der Drei Schwestern gesehen und von dem Haus, das so stark und verlässlich neben ihm stand. Das Bild aus dem kleinen Laden auf dem Festland war für ihren spontanen Entschluss, die Autofähre zur Insel zu nehmen, verantwortlich.

Seit sechs Monaten folgte sie ihren Impulsen und Instinkten – zwei Monate nachdem ihr gewissenhafter und hart erarbeiteter Plan sie befreit hatte.

Jeder einzelne Moment der ersten zwei Monate war ein Höllentrip gewesen. Und nach dem Terror kam die Angst – die Angst, wieder das zu verlieren, was sie wiedergefunden hatte.

Sie war gestorben, nun konnte sie weiterleben.

Sie wollte nicht mehr weglaufen und sich verstecken, sie hasste das Gefühl des Verlorenseins in den Menschenmassen der Großstädte. Sie wollte ein Heim. Hatte sie das nicht immer gewollt? Ein Heim, Verankerung, Familie, Freunde. Das Familiäre, das nie besonders gezählt hatte.

Vielleicht könnte sie etwas davon hier finden, auf diesem Häufchen Land in den Armen der See. Ganz sicher konnte sie nicht weiter von Los Angeles entfernt sein als auf dieser kleinen Insel, ohne das Land gleich ganz verlassen zu müssen.

Wenn sie keinen Job finden würde auf der Insel, bliebe sie trotzdem einige Tage. Ein bisschen Erholung nach all den Flügen, entschied sie. Sie würde die felsigen Strände und die kleinen Dörfer genießen, auf den Klippen herumkraxeln und den Wald durchstreifen.

Sie hatte gelernt, jeden einzelnen Moment ihres Lebens bewusst zu genießen. Etwas, was sie niemals, niemals wieder verlernen würde.

Sie erfreute sich an dem Anblick der Schindelhäuser, die verstreut hinter dem Dock lagen, lehnte sichüber die Reling und ließ den Wind durch ihr Haar wehen. Es hatte wieder seine natürliche, sonnengebleichte blonde Farbe. Auf der Flucht hatte sie es kurz geschnitten wie ein Junge getragen, hatte mit einem Gefühl der Genugtuung und der Erleichterung ihre langen Locken abgeschnitten und ihre Haare dunkelbraun gefärbt. Im Laufe der letzten Monate hatte sie die Haarfarbe mehrmals gewechselt – von leuchtend rotüber tiefschwarz bis sandfarben.

Es hatte seine Bedeutung, dachte sie. Es hatte etwas zu tun mit ihrer Selbstfindung, dass sie es schließlich so ließ, wie es ursprünglich war. Sie trug es immer noch kurz und sehr gerade geschnitten.

Evan mochte es lang, lang und voller wilder Locken. Es gab Zeiten, in denen er sie daranüber den Flur gezerrt hatte, die Treppen hinunter. Wie an Ketten.

Nein, sie würde ihre Haare ganz sicher nie wieder lang tragen.

Ein plötzlicher Schauderüberfiel sie, und sie musste schnell einen prüfenden Blicküber ihre Schulter auf die Autos und Menschen hinter sich werfen. Sie bekam einen trockenen Mund, und die Kehle wurde ihr eng, als sie nach einem großen, schlanken Mann mit goldblondem Haar und blassen, stahlharten Augen Ausschau hielt.

Er war nicht da, natürlich war er nicht da. Er war dreitausend Meilen entfernt. Für ihn war sie tot. Hatte er ihr nicht tausendmal gesagt, dass nur der Tod sie von ihm befreien könnte?

Also musste Helen Remington sterben, damit Nell Channing leben konnte.

Wütendüber sich selbst, dass sie sich, wenn auch nur für einen Moment, in der Vergangenheit verlor, schloss Nell ihre Augen. Diese einfache Form der Entspannung hatte sie erst mühsam lernen müssen, denn mit geschlossenen Augen tappte man leichter in Fallen. Aber jetzt hielt sie sie geschlossen, atmete ruhig ein und aus. Salzige Luft, Wasser, Freiheit.

Als sich ihre Schultern langsam wieder entspannten, umspielte ein feines Lächeln ihren Mund. Sie stand an der Reling, eine kleine Frau mit kurzem, sonnengebleichtem Haar, das lustig um ihr zartes Gesicht wippte. Das Lächeln ihrer gewölbten Lippen, ungeschminkt und weich, formteübermütige kleine Grübchen in ihre Wangen. Die Freude ließ ihre Haut in einem rosigen Schimmer erglühen.

Sie trug kein Make-up, ein weiterer Befreiungsschlag. Ein Teil von ihr versteckte sich immer noch, war immer noch gejagt, und sie tat alles in ihrer Macht stehende, um unauffällig zu bleiben.

Früher galt sie als Schönheit und hatte sich entsprechend gesty