: Guy Bodenmann
: Verhaltenstherapie mit Paaren Ein bewältigungsorientierter Ansatz
: Hogrefe AG
: 9783456951065
: 2
: CHF 35.40
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 294
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Wie gehen moderne Verhaltenstherapeuten vor, wenn Paare mit ihren Schwierigkeiten zu ihnen kommen? Dieses Buch gibt einen detaillierten Überblick über wissenschaftlich fundierte Interventionen in der Paartherapie. Der Autor erklärt den theoretischen Hintergrund von Paarstörungen, vermittelt wesentliche Konzepte zum Verständnis des therapeutischen Vorgehens, bietet diagnostische Hilfestellungen und einen Leitfaden für die praktische Durchführung. Neben den klassischen Komponenten der Verhaltenstherapie mit Paaren, wie dem Verhaltensaustausch und dem Kommunikations- und Problemlösetraining, werden auch neuere Entwicklungen aus der Stress- und Copingforschung vorgestellt, insbesondere die Arbeit mit dem Konzept des dyadischen Copings. Neuere Impulse sind zudem im Akzeptierungsansatz enthalten.
1.4 Theoretischer Hintergrund

1.4.1 Lerntheorie

Wenn die Interaktion eines Paares im Alltag zusehends negativer wird (häufiges Ignorieren der Bedürfnisse des anderen, Egozentrik, häufiges Streiten mit eska- lativen Ausgängen etc.), spielt sich die Negativität vorerst lediglich auf der beha- vioralen Ebene ab. Es wird jedoch schnell deutlich, dass sich die Konsequenzen von häufiger Negativität im Verhalten auch auf andere Bereiche erstrecken. So führt eine quantitativ häufige Negativität in der dyadischen Interaktion neben einer negativen Reziprozität auf der Verhaltensebene auch zu ungünstigen Ver- änderungen auf der kognitiven, emotionalen und der physiologischen Ebene. Die Variable «Reaktion» der SORCK-Verhaltensgleichung (vgl. Kanfer& Philips, 1978; Kanfer, Reinecker& Schmelzer, 1990), welche vier Ebenen (behavioral, kognitiv, emotional, physiologisch) umfasst, widerspiegelt damit negative Ver- änderungen innerhalb der Partnerschaft, die insbesondere durch die kognitiven und emotionalen Komponenten von großer Tragweite sind (s. Abb. 2).

Auf der behavioralen Ebene stellt eine chronfizierte Negativität im Alltag des- wegen ein gravierendes Problem dar, weil sie zur Entwicklung eines eingeschlif- fenen Verhaltensmusters führt und damit Gewöhnungscharakter erhält (habit, siehe Hull, 1951). Die Partnerin und der Partner gewöhnen sich an diese Art des negativen Umgangs miteinander und pendeln sich auf einem negativen Interaktionsniveau ein, das die Freiheitsgrade im Verhaltensrepertoire einschränkt. Während zufriedene Paare selbst in Konfliktsituationen die Möglichkeit haben, neutral, positiv oder negativ zu reagieren, ist bei unzufriedenen Paaren die Bereitschaft zur Negativität bereits zu Beginn eines Konfliktgesprächs signi- fikant erhöht und wird im Verlauf des Streitgesprächs verhaltensbestimmend (Hahlweg, 1991). Damit wird das negative Verhalten des Partners oder der Partnerin immer mehr prädominierend, das Verhaltensrepertoire verarmt bezüglich positiver Äußerungen und baut sich im negativen Bereich aus. Die Palette an hostilen Verhaltensweisen wird differenzierter, das Spektrum breiter, und der Ausdruck an Hostilität verfeinert sich (z.B. Zunahme an paraverbal negativen Bemerkungen).

Mit diesem immer häufigeren negativen Verhalten geht eine emotionale Veränderung einher, die einer klassischen Konditionierung (siehe Angermeier& Peters, 1973; Pawlow, 1972) höherer Ordnung entspricht. Die klassische Konditionierung erster Ordnung besteht darin, dass im Verlauf des eskalieren- den Konfliktgesprächs ein unkonditionierter Stimulus (UCS) (z. B. starke emo- tionale Erregungszustände mit Herzrasen oder Aggressionen des Partners) mit der Konfliktsituation gekoppelt wird. Die Konfliktsituation ist ursprünglich ein neutraler Stimulus (NS), da Konflikte per se nicht den Charakter eines unkonditionierten Stimulus aufweisen, sondern von verschiedenen Personen unterschiedlich beurteilt und erlebt werden. Infolge der Koppelung zwischen UCS und NS lösen künftig Konfliktsituationen (nun als konditionierter Stimu- lus: CS) beim Partner Unbehagen und aversive Gefühlszustände aus, bis hin zu Angstreaktionen (s. Abb. 3).

In der Folge wird der Partner mit den eskalierenden Konfliktsituationen, die jedes Mal aversive Gefühlszustände wie Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht (einhergehend mit einer starken physiologischen Erregung) auslösen, gekoppelt; er wird nun selbst zu einem konditionierten Stimulus zweiter Ordnung, der in der Lage ist (auch ohne Konflikte), negative Gefühle auszulösen (s. Abb. 4).
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort10
1. Hintergrund12
1.1 Historischer Hintergrund 12
1.2 Charakteristika der Verhaltenstherapie mit Paaren14
1.3 Methodische Aspekte der Verhaltenstherapie mit Paaren 17
1.4 Theoretischer Hintergrund 20
1.4.1 Lerntheorie20
1.4.2 Austauschtheorie26
1.4.3 Stresstheorie29
1.4.3.1 Vulnerabilitäts-Stress-Adaptationsmodell von Karney und Bradbury 29
1.4.3.2 Sozial-physiologisches Modell von Gottman und Levenson30
1.4.3.3 Stress-Scheidungs-Modell von Bodenmann33
1.5 Empirischer Hintergrund37
1.5.1 Die Bedeutung von Partnerschaft und Ehe heute37
1.5.2 Prädiktoren der Partnerschaftsqualität und -stabilität39
1.5.2.1 Bestehen Kompetenzdefizite bereits vor der Ehe?42
1.5.2.2 Können Kommunikationsdefizite oder Neurotizismus auch den Zeitpunkt der Scheidung voraussag44
1.5.3 Kommuni-kation von unzufriedenen Paaren45
1.5.3.1 Häufige Negativität und geringe Positivität45
1.5.3.2 Längere Konfliktdauer bei unzufriedenen Paaren49
1.5.3.3 Hohe Vorhersagbarkeit des negativen Verhaltens50
1.5.3.4 Negative Konfliktdynamik (Eskalation)51
1.5.3.5 Verwendung von gegenseitiger negativer Beein-flussung (Zwangsprozess)51
1.5.3.6 Missverständnisse bezüglich des intendierten Inhalts und dessen Rezeption durch den Partner52
1.5.3.7 Distanz-Nähe-Probleme 53
1.5.3.8 Emotionale Selbstöffnung 56
1.5.3.9 Verhältnis zwischen Positivität und Negativität in der Kommunikation (Balance-Theorie von G57
1.5.4 Problemlösung von unzufriedenen Paaren60
1.5.5 Kognitive Aspekte bei unzufriedenen Paaren61
1.6 Stress und Stressbewältigung63
1.6.1 Auswirkungen von Stress auf die Paarkommunikation64
1.6.2 Auswirkungen von Stress auf die Partnerschafts-entwicklung65
1.6.2.1 Die Bedeutung von Stress für das Scheidungsrisiko66
1.7 Dyadisches Coping67
1.7.1 Prozess des dyadischen Copings69
1.7.2 Formen des dyadischen Copings69
1.7.3 Funktionen des dyadischen Copings71
1.7.4 Dyadisches Coping und Partner-schaftsqualität und -stabilität71
1.7.5 Implikationen für eine moderne Verhaltenstherapie mit Paaren 74
2. Formale Kriterien der Verhaltenstherapie mit Paaren76
2.1 Ziele der verhaltenstherapeutischen Paartherapie 76
2.2 Indikation der verhaltenstherapeutischen Paartherapie 78
2.3 Ablauf einer Verhaltenstherapie mit Paaren 79
2.3.1 Anmeldung zur Therapie81
2.4 Diagnostik in der Paartherapie82
2.4.1 Anamnese83
2.4.2 Fragebogen83
2.4.3 Verhaltensbeobachtung86
2.5 Erstgespräch89
2.5.1 Erklärungsmodell und Zielfestlegung94
2.6 Setting in der verhaltenstherapeutischen Paartherapie95
2.6.1 Verhalten des Therapeuten im triadischen Setting97
2.6.2 Verhalten des Therapeuten im dyadischen Setting97
2.7 Dauer und zeitlicher Ablauf der Therapiesitzungen99
2.8 Häufigkeit der Therapiesitzungen100
2.9 Notizen während der Therapiesitzungen100
3. Methoden der Verhaltenstherapie mit Paaren102
3.1 Oral History Interview 102
3.1.1 Konkretes Vorgehen beim Oral History Interview 104
3.1.2 Indikation des Oral History Interviews105
3.1.3 Wirkungsweise des Oral History Interviews106
3.2 Reziprozitätstraining106
3.2.1 Konkretes Vorgehen beim Reziprozitätstraining109
3.2.2 Indikation des Reziprozitätstrainings112
3.2.3 Wirkungsweise des Reziprozitätstrainings113
3.3 Kommunikationstraining114
3.3.1 Konkretes Vorgehen beim Kommunikationstraining115
3.3.2 Indikation des Kommunikationstrainings121
3.3.3 Wirkungsweise des Kommunikationstraining