I
An einem Freitagabend griff das Schicksal in mein Leben ein. Das traf mich unvorbereitet, denn bis dahin hatte ich nicht viel am Hut gehabt mit dem Schicksal. Ich lebte mein Leben, wie es kam, und machte mir wenig Gedanken darüber, dass es vielleicht von einer unsichtbaren Macht gelenkt werden könnte. Das Schicksal, das war in meiner Vorstellung so ein putziges Comic-Wesen, eine Art Frau Holle, die uns zwar manchmal die ein oder andere Prüfung bestehen lässt, dies aber immer in einem vertretbaren Rahmen und auch nur, um uns anschließend mit einer Tüte Bonbons zu belohnen und dann wieder in Ruhe zu lassen. Es dauerte noch fast ein Jahr, bis ich begriff, dass das Schicksal ein richtig launisches Miststück ist.
Die Geschichte begann dort, wo sonst die meisten Geschichten enden: an einem Tresen. Immerhin handelte es sich dabei nicht um irgendeinen Tresen, sondern um den Tresen desMontmartre! Und es war auch nicht irgendein Abend, es war der Vorabend meines achtunddreißigsten Geburtstags. Eine Tatsache, die wesentlich zu dem beitrug, was Waldo später die »mörderische Wette« nannte. Das war natürlich ein wenig dramatisiert. Aber so war Waldo eben. Eric meinte einmal, dass Waldo mit solchen Wichtigtuereien seine kümmerliche Körpergröße kompensieren wollte. Woraufhin Waldo entgegnete, dass Eric mit solchen Klugscheißereien seine kümmerliche männliche Ausstattung kompensieren wolle. Waldo neigte manchmal zu drastischen Kommentaren. Zumindest in Bezug auf die weibliche Anatomie hatten wir ihn allerdings zu einem Re-Education-Programm verdonnert, das an diesem Abend endlich Früchte trug. Und zwar, als eine Frau das Café betrat.
»Wow!«, stieß er voller Inbrunst hervor und griff nach meinem Arm, womit er mich daran hinderte, von meinem Wodka Martini zu trinken. »Alex, schau dir mal diese …« Dann aber begann er zu stocken. »… diese …«
Ich hatte die Frau bereits gesehen und wusste daher, welche Zone ihres Körpers ihm so imponierte. Auch Tom und Eric, die sich gerade über die Farbe der Bremssättel bei Porsche austauschten: »Nur die roten sind echt.« »Rot? Ist doch etwas für Schwuchteln. Schwarz eloxiert hingegen …«, waren jetzt aufmerksam geworden. Gebannt warteten wir nun alle drei darauf, wie Waldo seinen verbalen Interruptus überwand.
»Jaah, und weiter?«, fragte Eric lauernd.
Hin- und hergerissen zwischen seinen natürlichen Impulsen und unseren Erziehungsbemühungen, verzerrte sich Waldos Gesicht. Alles in ihm drängte danach, das böse T-Wort auszusprechen, doch das stand ganz oben auf der verbotenen Liste.
»… diese …«
»Du schaffst es, Waldo«, ermunterte Eric ihn. Es schien zu helfen, denn nach einem letzten Aufbäumen seines inneren Machos entfuhr ihm schließlich die Lösung.
»… diese Augenbrauen an.«
Augenbrauen?
Eric sah mich an, ich sah Tom an und Tom wiederum Eric. Augenbrauen! Wir akzeptierten dieses mehr als kreative Synonym mit einem Achselzucken und konnten uns nun endlich auch dem Objekt von Waldos Bewunderung widmen. Ein paar Schritte von uns entfernt war die dunkelhaarige Frau, die gerade dasMontmartre betreten hatte, stehen geblieben und ließ einen suchenden Blick über die fast vollständig besetzten Tische schweifen. Sie präsentierte sich uns im Profil, wobei der von Waldo hervorgehobene Teil dieses Profils tatsächlich ausgesprochen gelungen war.
Statt nun einer von vier Typen zu sein, die an der Bar standen und eine neu eintretende Frau angafften, machte ich mir einen Spaß daraus, die Gesichter meiner Freunde zu studieren. Die waren nämlich so gebannt von dem Anblic