: F. Scott Fitzgerald
: Die letzte Schöne des Südens
: Diogenes
: 9783257601411
: 1
: CHF 15.00
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 784
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In den Jahren 1925-1929 verdiente Fitzgerald mit seinen Short Stories so viel wie kein Schriftsteller je zuvor - bis der Börsencrash den goldenen Jahren ein Ende setzte. ?Die letzte Schöne des Südens? ist, wie eigentlich das ganze Fitzgerald'sche Werk, die Vorwegnahme dieser Desillusionierung. Was bleibt, ist die Erinnerung an glamouröse Zeiten und bittersüße Melancholie.

F. Scott Fitzgerald, 1896 in St. Paul (Minnesota) geboren, wurde schon mit seinem ersten Roman, ?Diesseits vom Paradies?, auf einen Schlag berühmt und stand mit seiner Frau Zelda im Mittelpunkt von Glanz und Glimmer. ?Der große Gatsby?, sein heute meistgelesenes Buch, war jedoch ein finanzieller Flop. Um Geld zu verdienen, ging Fitzgerald 1937 als Drehbuchautor nach Hollywood, wo er 1940 starb.

[9] Der Kindergeburtstag

Immer wenn sich John Andros alt fühlte, fand er Trost in dem Gedanken, dass das Leben durch sein Kind weiterging. Die dunklen Posaunen der Vergänglichkeit tönten weniger laut, sobald er das Getrappel der kleinen Füße hörte oder die Kinderstimme, die ihm durchs Telefon verrücktes Kauderwelsch ins Ohr plapperte. Letzteres geschah jeden Nachmittag um drei, wenn seine Frau von ihrem Häuschen auf dem Land aus im Büro anrief, und er begann sich darauf zu freuen, weil es zu den lebendigsten Minuten seines Tages zählte.

Rein physisch war er nicht alt, aber er hatte sich in seinem Leben etliche Male etliche steile Berge hinaufgekämpft, und jetzt, mit achtunddreißig, da Krankheit und Armut besiegt waren, gab er sich weit weniger Illusionen hin als früher. Selbst für seine kleine Tochter hegte er begrenzte Gefühle. Sie war in seine recht intensive Liebesbeziehung mit seiner Frau eingebrochen, und ihretwegen wohnten sie in einem Ort vor der Stadt, wo sie für die gute Landluft endlose Probleme mit den Bediensteten und das ermüdende Karussell der Pendlerzüge in Kauf nahmen.

Die kleine Edith als greifbares Stück Jugend, das war es, was ihn hauptsächlich interessierte. Er genoss es, sie auf[10] dem Schoß zu halten und ausgiebig ihren duftenden, flaumigen Haarschopf und die Augen mit der morgenblauen Iris zu betrachten. Nachdem er ihr diese Huldigung erwiesen hatte, durfte das Kindermädchen sie gerne wieder mitnehmen. Denn nach zehn Minuten begann ihn eben diese Vitalität des Kindes aufzubringen; wenn etwas kaputtging, verlor er leicht die Beherrschung, und als die Kleine eines Sonntagnachmittags eine Bridgepartie zerstörte, indem sie das Pik-Ass für immer und ewig irgendwo versteckte, hatte er eine solche Szene gemacht, dass seine Frau in Tränen ausgebrochen war.

Das war lächerlich, und John schämte sich dafür. So etwas passierte nun einmal, es war unvermeidlich, und die kleine Edith konnte unmöglich all die Stunden, die sie im Haus verbrachte, oben in ihrem Kinderzimmer bleiben, zumal sie, wie ihre Mutter sagte, täglich mehr zu einer ›richtigen Persönlichkeit‹ heranwuchs.

Sie war zweieinhalb, und heute Nachmittag war sie auf einem Kindergeburtstag eingeladen. Die große Edith, ihre Mutter, hatte im Büro angerufen, um ihm dies zu berichten, und die kleine Ede hatte die Angelegenheit bestätigt, indem sie ›ich geh zu einem ’butstach!‹ in Johns nichtsahnendes linkes Ohr gebrüllt hatte.

»Komm doch nach der Arbeit noch bei den Markeys vorbei, ja, Liebling?«, schaltete sich ihre Mutter wieder ein. »Es wird sicher lustig. Ede wird todschick aussehen in ihrem neuen pinkfarbenen Kleidchen…«

Das Gespräch endete jäh mit einem Kreischen; offenbar war das Telefon heftig zu Boden gerissen worden. John lachte und beschloss, am Abend einen Zug früher zu[11]