: Jael Backe
: Schwangerschaft ist keine Krankheit Welche Ratschläge und Untersuchungen Schwangere wirklich brauchen
: mvg Verlag
: 9783864153075
: 1
: CHF 2.60
:
: Schwangerschaft, Geburt, Säuglinge
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es krankt in der Schwangerenvorsorge. Schwangere tun alles, um sicherzugehen, dass es ihnen und ihrem ungeborenen Kind gut geht. Fast alle nehmen die regelmäßigen Vorsorgetermine wahr, nehmen sich die Ratschläge der behandelnden Ärzte und Hebammen zu Herzen und folgen deren Empfehlungen zu Untersuchungen, Medikamenten, Nahrungsergänzungspräparaten u. v. m. Was wäre aber, wenn viele dieser Ratschläge nicht unbedingt dem Wohl von Mutter und Kind dienen, sondern überflüssig, sinnlos oder gesundheitlich bedenklich sind? Genau dies sagt Frau Professor Backe aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Schwangerschaftsvorsorge. Sie klärt auf, welche Untersuchungen tatsächlich sinnvoll sind und welche kritisch hinterfragt werden müssen. Dieses Buch schließt eine große Lücke in der Ratgeberliteratur. Endlich können sich Schwangere ein unabhängiges Urteil bilden und ihrem Arzt oder ihrer Hebamme auf Augenhöhe begegnen.

PROF. DR. MED. JAEL BACKE, geboren 1965, ist niedergelassen in einer eigenen Praxis für Frauenheilkunde, Medizinische Genetik und Psychotherapie in Würzburg. Zusätzlich lehrt sie als Professorin an der Universität Würzburg. Ihre derzeitigen Forschungsschwerpunkte liegen u. a. auf interdisziplinären Themen wie »Arzt-Patient-Beziehung« und »Prävention als ärztliche Aufgabe«. Sie ist verheiratet und lebt in Würzburg.

Kapitel 1


Urin- und Blutuntersuchung – welche sind sinnvoll?


Zu viele Bakterien im Urin, zu wenig Eisen im Blut – über unsinnige Untersuchungen und unnötige Behandlungen in der Schwangerschaft


»Die Medizin unseres Jahrhunderts hat ein prinzipielles Monopol auf das Wissen beansprucht, aufgrund dessen sie Normwidrigkeit erst bestimmen, dann erkennen und schließlich behandeln kann.«

(Duden 2002a)

Ihr Start in die Schwangerenvorsorge

Wenn Sie als schwangere Frau zur Vorsorgeuntersuchung in die gynäkologische Praxis kommen, erhalten Sie einen Becher und werden gebeten, diesen mit frischem Mittelstrahl-Urin zu füllen und im Labor der Praxis abzugeben. Dort taucht eine Praxismitarbeiterin möglichst zeitnah einen Teststreifen hinein und liest ab, ob das vermehrte Auftreten von Blut, Eiweiß, Zucker, weißen Blutkörperchen, Nitrit und Ascorbinsäure im Urin angezeigt wird. Das Ergebnis wird bei jeder Vorsorgeuntersuchung in Ihrem Mutterpass notiert und vom Arzt interpretiert. So sehen es die Mutterschafts-Richtlinien vor (G-BA 2012). Doch es können sich Situationen daraus ergeben, die zu unsinnigen Therapien führen. Lassen Sie mich dies an zwei Beispielen aus der Praxis erläutern.

Fallbeispiel: Carina K., 24 Jahre

Carina K. ist zum ersten Mal schwanger und 21 Schwangerschaftswochen weit. Bisher gab es keine Besonderheiten im Schwangerschaftsverlauf. Sie ist gesund und hatte noch nie eine Erkrankung der Nieren oder der Harnblase. Carina kommt zur Vorsorgeuntersuchung in meine Praxis und gibt wie gewöhnlich ihren Urin ab. Die Indikatorfelder der Teststreifen zeigen an, dass in Carinas Urin vermehrt weiße Blutkörperchen und Nitrit vorhanden sind, auch die roten Blutkörperchen sind gering erhöht. Dies wird im Mutterpass vermerkt. Hat sie eine Blasenentzündung?

Ich befrage sie nach typischen Beschwerden wie Brennen beim Wasserlassen, häufigem Harndrang oder auffallendem Geruch des Urins. Sie verneint dies, es geht ihr gut. Auf meine Frage, wie viel sie täglich trinkt, gibt sie einen knappen Liter an. Heute hat sie erst einen halben Liter getrunken. Es ist Sommer und sehr warm draußen. Deswegen vermute ich, dass ihre heutige Trinkmenge zu gering war, sie hat viel geschwitzt. Der Urin ist sehr konzentriert, sieht dunkelgelb aus. Wir vereinbaren, dass sie noch einmal zur Urinkontrolle kommen soll, nachdem sie mindestens 2 Liter Wasser oder Tee getrunken hat. Bei dieser zweiten Urinuntersuchung sehen wir einen klaren, hellen Urin. Die Teststreifen zeigen keinen Farbumschlag an.

Was folgern wir daraus? Die Aussage der Urinteststreifen wird durch die Trinkmenge beeinflusst. Ein verdünnter Urin wird durch diese Streifen eher als »gesund« bewertet, ein konzentrierter Urin kann fälschlicherweise als Blasenentzündung gedeutet werden. Die Teststreifen sind in ihrer Aussage nicht zuverlässig.

Fallbeispiel: Annabell W., 30 Jahre

Annabell W. erwartet ihr drittes Kind. Sie ist in der 32. Schwangerschaftswoche. Auch sie war bisher immer gesund und alle bisherigen Schwangerschaften verliefen ohne Besonderheiten. Sie stellt sich heute zum ersten Mal in meiner Praxis vor, da sie vor wenigen Wochen von einer anderen Stadt hierher umgezogen ist und eine neue Frauenärztin braucht. Bei der Durchsicht ihres Mutterpasses fällt mir auf, das