: Weert Canzler, Andreas Knie
: Einfach aufladen Mit Elektromobilität in eine saubere Zukunft
: oekom verlag
: 9783865813794
: 1
: CHF 7.00
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 124
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF/ePUB
Alle Verkehrsmittel werden mit Strom betrieben, der aus regenerativen Quellen stammt. Ein einfacher Check-in mit dem Mobiltelefon erlaubt die unkomplizierte Benutzung von Bus& Bahn - die Rechnung kommt am Monatsende, bezahlt wird je nach Stromverbrauch. Eine Utopie? Gewiss! Doch unsere Metropolen brauchen neue Verkehrskonzepte, unsere Fahrzeuge neue Antriebe. Klimawandel, Rohstoffknappheit und der drohende Verkehrsinfarkt erzwingen einen Wechsel hin zu postfossilen Energieträgern. Die Lösung heißt: vernetzte Elektromobilität. Sie kann die notwendige Bewegungsfreiheit schaffen, die moderne Gesellschaften benötigen. Weert Canzler und Andreas Knie skizzieren den Einstieg in eine Neue Mobilität, die eine Verknüpfung von öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln erreicht und das vollständig auf Basis erneuerbarer Energien.

Weert Canzler bearbeitet Mobilitätsthemen im Rahmen der WZB-Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik. Andreas Knie ist Geschäftsführer des Innovationszentrums Mobilität und gesellschaftlicher Wandel. Die Politologen sind Gründer der Projektgruppe Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Einleitung: Aufbruch in eine neue Zeit?

Als am 3. Mai 2010 die deutsche Bundeskanzlerin zum »Elektromobilgipfel« nach Berlin einlud, war dies gleich in mehrfacher Hinsicht eine denkwürdige Veranstaltung. So viel Prominenz aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik hatte selbst Berlin bis dato noch nicht gesehen. Gekommen waren nicht nur fast das halbe Bundeskabinett, mehr als 30 Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Unternehmen und die Spitzen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, sondern auch alle für das Thema einschlägig bekannten Professoren. (Im Folgenden wird in aller Regel die männliche Form benutzt, gemeint sind selbstverständlich immer beide Geschlechter.) Bemerkenswert war auch der herrschende Grundtenor der Veranstaltung: eine Mischung aus Aufbruchstimmung und Ratlosigkeit. Insbesondere die Vertreter der Bundesministerien verbreiteten eine Stimmung, dass man sich fühlte, als wäre man abends ins Bett gegangen, um am nächsten Morgen aufzuwachen und plötzlich zu merken: Alle fahren elektrische Autos, nur sind es chinesische Fabrikate und keine deutschen. Deshalb sind die deutschen Hersteller, der industrielle Kern unserer Volkswirtschaft, in ihrer Existenz bedroht. Wir müssen handeln! In dieser hektischen Betriebsamkeit fehlte aber eins: der Plan. Zwar konnte man sich noch auf die Gründung einer Gemeinsamen Geschäftsstelle Elektromobilität (GGEMO) sowie auf die Einsetzung einer Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) mit sieben thematisch ausgerichteten Arbeitsgruppen, koordiniert durch einen Lenkungskreis, verständigen. Doch wurde vergessen, diesen Gremien ein Programm mitzugeben.

Alle kamen zu der Erkenntnis, dass die Regierungen in China, Japan, den USA und in einigen westeuropäischen Ländern, allesamt wichtige Kernmärkte der Automobilbranche, Milliardensummen in die Entwicklung und Erprobung von elektrischen Fahrzeugen investieren. Also drohte Gefahr. Aber was tun? Zum damaligen Zeitpunkt herrschte insbesondere bei den deutschen Autoherstellern große Erklärungsnot wann immer sie gefragt wurden, warum sie keine E-Fahrzeuge im Angebot hätten. Wie und wo sollte man aber Fahrzeuge verkaufen können, die im Vergleich zu konventionellen Autos das Dreifache kosten, aber nur die Hälfte können?

Andere Branchen dagegen witterten neue geschäftliche Perspektiven. An vorderster Front: die großen Energieversorger. Man könnte ja, so der kühne Gedanke, die Republik mit Tausenden von Ladesäulen überziehen. Erste Modellrechnungen zeigten aber schnell, dass der Verkauf von Strom angesichts der wenigen in den nächsten Jahren zu erwartenden E-Autos keine ausreichende Geschäftsgrundlage für die hohen Investitionen bieten würde. Wenn aber die Einführung der Elektromobilität gleichsam zu einer nationalen Aufgabe erklärt würde, dann – so die Idee der Energieversorger –, müsse eben auch der Staat für die 80.000 geplanten öffentlichen Ladestationen zahlen, rund acht Milliarden Euro, wie einige Energieversorger schnell ausgerechnet hatten.

Ähnlich zügig unterwegs war die akademische Forschung. Ihre Interessenvertreter hatten die gleiche Idee: Wenn die Elektromobilität von einer solchen »nationalen« Bedeutung ist, dann müssen wieder Lehrstühle her und üppige Forschungsprogramme für die Batterien der Zukunft aufgelegt werden. Ein durchaus legitimer Reflex in einer zunehmend auf Akquise von Finanzmitteln angewiesenen öffentlichen Forschungslandschaft. Die Batterietechnik gehört ja schließlich zu den strategischen Kompetenzfeldern und muss – auch wenn man sich in Deutschland bereits vor Jahren aus der Forschung mit elektrochemischen Speichern verabschiedet hat – wieder breit verankert werden. Natürlich bezogen die Forscher diesen Standpunkt in dem Wissen, dass der Konzern Evonik die Batteriefertigung in Deutschland in großem Stil wieder starten will. Selbst die Erkenntnis, dass China, Japan und auch Südkorea hier über einen großen Wissensvorsprung verfügen, hält die ehemalige Ruhrkohle AG nicht von ihrem Vorhaben ab. Die Forscher sind überzeugt, diese Lücke ließe sich schnell schließen, wenn der Staat mit einem Milliardenprogramm aus öffentlichen Mitteln Unterstützung leiste.

Es gab bei dem Elektromobilgipfel im Mai 2010 noch weitere Branchen und Wissenschaftsvertreter, die alle ihre eigenen Vorstellungen und Ideen entwickelt hatten, wie man die Grundängste der Regierung wohl für sich nutzen könnte. Was aber fehlte, war eben eine Ordnung, ein Plan, alle diese Einzelinteressen zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzufügen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft auf den Zukunftsmärkten Energie und Mobilität dauerhaft abzusichern. Von »intelligenter Industriepolitik« war immer wieder die Rede. Dass diese Not tue, sollte der beliebte Hinweis auf China belegen. Denn dort hat die Elektromobilität höchste Priorität. Man möchte das Zeitalter des Verbrennungsmotors am liebsten überspringen und gleich in die elektrische Antriebstechnik einsteigen. Dass China es ernst meint und ordnungspolitisch entsprechend schnörkellos handelt, zeigt das Beispiel der Scooter, der in vielen Städten beliebten Motorroller. Diese sind seit einigen Jahren in vielen großen Städten Chinas nur noch erlaubt, wenn sie elektrisch

Einfach aufladen1
Inhaltsverzeichnis5
Einleitung: Aufbruch in eine neue Zeit?7
Einblicke in die neue Verkehrswelt17
Nach der Rennreiselimousine31
Exkurs I: Vehicle to Grid (V2G) – das intelligente Speichern48
Exkurs II:Nachhaltige Mobilität – die Deutsche Bahn68
Allianzen und Gemeinschaftsarbeit85
Ausblick: Vom Batteriefahrzeug zur Elektromobilität101
Vernetzte Elektromobilität: Häufig gestellte Fragen107
Literatur119