Vorwort
Kein System aus Normen und Regeln ist in allen Teilen der Gesellschaft so fundamental wirksam wie das Recht. Seine Anwendungen, die Wirkungen und seine Geschichte werden zu Recht und seit langem in umfassender Weise erforscht. Anders verhält es sich dagegen mit den medialen Funktionsweisen des Rechts sowie mit der Rolle der Medien innerhalb der Jurisprudenz: Jenes Forschungsgebiet, das sich vornimmt, die wechselseitige Durchdringung von Medien und Recht zu ergründen, führte bis vor wenigen Jahren noch ein Schattendasein. Eine der zentralen Autoren, die jene grundlegenden Fragen nach den Anteilen und der Wirkung der Medien im historischen Prozess der Rechtsprechung und Urteilsfindung aufgeworfen und zu größerer Aufmerksamkeit verholfen haben, war Cornelia Vismann (1961–2010).
Insbesondere durch ihre PromotionsschriftAkten. Medientechnik und Recht, die2000 im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen ist und sich seitdem größter Anerkennung erfreut, gelang es der ausgebildeten Juristin und Philosophin, den zuvor kaum beachteten medialen Grundlagen der Jurisprudenz eine rechtshistorisch wie medientheoretisch gleichermaßen fundierte Diskursbasis zu bereiten. Nach Zwischenstationen an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt an der Oder, und am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main sowie nach verschiedenen Gastprofessuren u.a. in London, Wien und Berkeley, erfolgte2007 die Habilitation an der Juristischen Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt am Main mit einer Arbeit zurVerfassung nach dem Computer. Von2008 bis zu ihrem Tod war Cornelia Vismann schließlich Professorin für Geschichte und Theorie der Kulturtechniken an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar.
In ihrer letzten MonographieMedien der Rechtsprechung, an der sie noch bis zuletzt gearbeitet hat und die2011 ebenfalls bei S. Fischer erschienen ist, analysiert Cornelia Vismann juridische Fragen mit medienwissenschaftlichen Mitteln (und vice versa): Wie, zum Beispiel, wirken die Architekturen des Gerichts oder die Anordnung der Akteure im Saal auf das Verfahren ein? Welcher Stellenwert kommt dabei Film, Fernsehen und Internetübertragungen am Ort der Urteilsfindung zu? Wie ist der Einfluss zu charakterisieren, den Medien wie die Akten auf den Verlauf der Rechtsprechung ausüben? – Der innovative Ansatz, den Cornelia Vismann mit solchen Fragen entwickelt hat, ist in der Folge sowohl von rechtswissenschaftlicher als auch von kultur- und medientheoretischer Seite eingehend gewürdigt worden.
Manch ein Leser (und Rezensent) hat im Zuge dessen den Wunsch geäußert, noch mehr von dieser Autorin zu lesen. Der vorliegende Band nimmt diese Forderung bereitwillig auf, um hier erstmalig eine Aufsatzsammlung der für die Kultur- und Rechtswissenschaften so inspirierenden Autorin vorzulegen. Sie ist weniger als eine Fortführung derMedien der Rechtsprechung zu verstehen. Vielmehr ist eine Ausweitung dieser Perspektive beabsichtigt. Auch wenn eine auf strenge Systematik ausgerichtete, historische Genealogie der Medien des Rechts und der damit verbundenen Funktionen mit demRecht und seinen Mitteln kaum entstehen kann und daher – immer noch – ein Desiderat ist, so sollen die einzelnen Aufsätze als eine repräsentative Auswahl aus dem reichhaltigen Werk einen exemplarischen Eindr