Noch 117 Tage bis Weihnachten
Dass das Fest der Tannennadeln jedes Jahr früher beginnt, hat sich inzwischen herumgesprochen, nur haben sich die Initiatoren der vorweihnachtlichen Aktivitäten bis heute nicht auf ein einheitliches Datum einigen können. Das scheint allerdings auch an den geografischen Gegebenheiten zu liegen. In Seebädern zum Beispiel fängt Weihnachten viel später an als im Mittelgebirge, wo man in den Supermärkten unter den jeweiligen Saison-Angeboten selten Schwimmflügelchen und Wasserbälle findet, sondern mehr rustikales Zubehör für Wandertage, also Trinkflaschen, grob gestrickte Kniestrümpfe im Doppelpack und diese niedlichen Metallplättchen für den Knotenstock. Die daneben über Nacht entstandene Lebkuchenpyramide fällt also gar nicht auf, sie könnte im weitesten Sinne sogar als Marschverpflegung für die geplante Tagestour deklariert werden.
Anders ist es natürlich mit Zimtsternen in unmittelbarer Nachbarschaft von Gummienten und Muschelketten. Das passt einfach nicht zusammen, und deshalb fängt Weihnachten auf Sylt oder in Heringsdorf immer etwas später an als im Allgäu. Oder hier bei uns in Baden-Württemberg.
In diesem Jahr hatte es am 29. August begonnen! Ich hatte gerade einen achtstündigen Nachtflughinter mir, und das mit einem moskitostichgeplagten Holländerneben mir, danach zwei Stunden Fahrt über die notorisch verstopfte A 6 nach Hause, nur um festzustellen, dass zur Begrüßung niemand da war. Kein Blumenstrauß, kein frisch gebrühter Kaffee – dabei hatteER sich doch ausrechnen können, wann ich ungefähr eintreffen würde! Auf dem Tisch lagen lediglich eine schwärzlich verfärbte Neonröhre und ein Zettel:Schön, dass du wieder da bist. Musste leider weg. Konnte gestern nicht mehr einkaufen, die Läden hatten schon zu. Die Lampe in der Küche ist kaputt. Brot ist auch alle. Tschüss bis heute Abend. R.
Nach mehr als vierzig Jahren Ehe sollte ich mich eigentlich daran gewöhnt haben, dass Rolf nie da ist, wenn man mit ihm rechnet (aber häufig dann, wenn er absolut überflüssig ist!), und eine kurze Inspektion von Kühlschrank und Keller bestätigte es denn auch: Mein Mann hatte sich vorsichtshalber abgesetzt. Vermutlich aus Furcht vor Repressalien! Zwei Zwiebeln mit viel Grün oben dran und eine Hand voll Kartoffeln mit zentimeterlangen Keimen war alles, was ich an Essbarem im Vorratsraum fand, dazu vier leere Pizzapackungen (wieso im Keller???).
Oben im Kühlschrank sah es nicht viel besser aus: Zwei zart violett schimmernde Schinkenscheiben mit gewölbten Rändern, eine Milchpackung, die ihre beste Zeit auch schon hinter sich hatte, und das seit fünf Tagen; nur der Käse sah noch ganz manierlich aus.
Wie war das noch mal mit Karens Methode gewesen, die Genießbarkeit überlagerter Lebensmittel festzustellen? »Wenn du nicht genau weißt, ob das Zeug noch essbar ist, dann leg es auf den Tisch und beobachte es genau«, hatte meine Nachbarin mal aus gegebenem Anlass empfohlen: »Bewegt es sich, dann hau drauf und wirf es weg!«
Der Käse hatte sich nicht bewegt; er landete trotzdem im Abfalleimer zusammen mit dem Schinken, dem Leberwurstzipfel und den zwei Eiern