In der Nacht wurde es jetzt, im April, nie mehr ganz dunkel. Kathrine war früh aufgestanden, obwohl es Samstag war. Sie weckte das Kind, machte ihm sein Frühstück und brachte es zur Großmutter. Sie ging nach Hause, schnallte die Langlaufskier an und fuhr los. Sie folgte den Spuren der Schneemobile bis zur ersten Anhöhe, dann der Stromleitung, die zur Radioantenne führte. Schließlich, nach vielleicht einer Stunde, entfernte sie sich im spitzen Winkel immer weiter von dieser letzten Spur und fuhr hinaus ins grenzenlose Weiß des Fjells.
Gegen Mittag setzte sie sich auf einen Fels, der aus dem Schnee ragte, um auszuruhen und um etwas zu essen. Sie fuhr mit den Händen über die orangen, die gelben und weißen Flechten, die den Stein bedeckten.
Später, als sie schon wieder unterwegs war, bildete sich leichter Dunst, eine Art Nebel, und der Himmel verlor seine Bläue und wurde immer blasser. Aber sie kannte den Weg, sie war schon oft beim Leuchtturm gewesen, und auch als die Sonne endlich nicht mehr zu sehen und das Licht so diffus war, daß alles verschwamm, lief sie weiter und hatte keine Angst, sich zu verlaufen.
Kathrine hatte Helge geheiratet, sie hatte das Kind bekommen, sie hatte sich von Helge scheiden lassen. Sie lief zum Leuchtturm, blieb über Nacht und kam am nächsten Tag zurück. Die Mutter schaute dann nach dem Kind und auch während der Tage, während der Wochen, wenn Kathrine im Zollbüro war.
Nach der Arbeit ging sie zur Mutter. Zu dritt aßen sie zu Abend, später nahm Kathrine das Kind auf den Arm und ging nach Hause. Irgendwann lernte das Kind, selbst zu gehen, und sie mußte es nicht mehr tragen. Das war im Sommer. Dann wurden die Tage kürzer, der Herbst kam, der erste Schnee und dann der Winter.
Die Sonne war schon vor Wochen verschwunden, und es wurde gar nicht mehr hell. Die Nacht lag auf der Landschaft. Das Dorf war eingeschlossen in der Dunkelheit. Das Licht der Straßenlaternen war wie ein Raum, den niemand verließ. Vierzig Kilometer waren es bis zum nächsten Dorf, achtzig auf der Straße, die durch die tote Landschaft führte, ins Landesinnere und wieder zurück an die Küste. Wenn es schneite, wenn es nicht aufhörte zu schneien, wurde die Straße gesperrt. Dann war auch der kleine Flugplatz zu, der etwas außerhalb des Dorfes auf einer Anhöhe lag, und es kamen keine Busse und keine Flüge, nur das Schiff der Hurtigroute, abends, unterwegs nach Süden, und spät in der Nacht, auf dem Weg nach Kirkenes an der Grenze zu Rußland.
Es schneite oft, und es war dunkel und kalt. Kathrines Vater starb, er wachte nicht auf an einem Morgen. Er war noch nicht alt gewesen. Der Pfarrer kam und saß mit der Mutter in der Küche. Kathrine kochte Kaffee, dann nahm sie das Kind an die Hand und ging nach Hause. Der Pfarrer und die Mutter saßen noch immer schweigend am Küchentisch.
Am Sonntag sprach der Pfarrer vom Wasser des Lebens, das sich ins Meer der Ewigkeit ergieße. Dann wird jegliches Lebewesen, das dort herumschwimmt, munter leben, sagte er. Groß wird die Menge der Fische sein. Denn sobald dieses Wasser dahin kommt, wird das Salzwasser gesund, und alles, was der Fluß erreicht, bleibt am Leben.
Dann ging die Gemeinde hinaus und durch die Dunkelheit und den tiefen Schnee zum Friedhof. Vier Tage lang hatte man den Boden heizen müssen, bis die Arbeiter das Grab hatten schaufeln können.
Der Frühling kam spät in diesem Jahr. Im Herbst wurde Kathrine fünfundzwanzig. Die Mutter backte einen Kuchen für sie wie jedes Jahr, und am Samstag gingen alle zusammen in den Elvekroa und feierten ein Fest, von dem man im Dorf noch lange sprach.
Am Montag kontrollierte Kathrine die Verchneuralsk. Sie war nur kurz im Zollbüro gewesen, hatte einen Bericht geschrieben, als der Chef sie hinausschickte. Das Wetter war stürmisch an diesem Tag, draußen auf dem Meer gingen die Wellen haushoch, und jeder, der irgend konnte, suchte einen Hafen. Dreißig Trawler waren schon eingelaufen, manche, die erst in einer Woche hatten an Land kommen sollen. Der Chef hatte die Faxe der Küstenwache weggeworfen und gesagt, heute wird ein harter Tag, heute müssen alle raus.
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