Die meisten Abende trieben wir uns im Park bei mir zu Hause um die Ecke rum. Ich lebte in Hertfordshire, hätte aber ebenso gut in irgendeiner anderen englischen Vorstadt wohnen können: Es war die typische Vorstadt und der typische Park – drei Minuten von zu Hause, auf der anderen Seite der Straße mit der kleinen Geschäftszeile (einVG-Supermarkt, ein Zeitschriftenladen, ein Spirituosenladen). Es gab nichts, woran man erkennen konnte, in welcher Gegend man sich befand. Falls die Läden offen gewesen wären (und sie schlossen um halb sechs, donnerstags um eins und hatten sonntags gar nicht auf), hätte man zum Zeitschriftenstand gehen und nach einer Lokalzeitung sehen können, aber selbst das hätte einem keinen wesentlichen Anhaltspunkt gegeben.
Wir waren zwölf oder dreizehn und hatten gerade die Ironie entdeckt – zumindest das, was ich später als Ironie erkannte: auf der Schaukel oder dem Karussell und dem anderen vor sich hin rostenden Kinderzeugs zu spielen, gestatteten wir uns nur, wenn wir das mit einer gewissen verlegenen ironischen Distanz tun konnten. Die äußerte sich entweder in aufgesetzter Geistesabwesenheit (pfeifen, angeregt plaudern oder mit einer Kippe oder Streichholzschachtel herumspielen klappte meistens) oder einem Flirt mit der Gefahr: Also sprangen wir von der Schaukel, wenn sie am höchsten stand, sprangen aufs Karussell auf, wenn es sich am schnellsten drehte, und schwangen die Schiffsschaukel hoch, bis sie fast senkrecht stand. Sobald man nur irgendwie beweisen konnte, dass dieser Kinderkram die Möglichkeit bot, sich die Rübe aufzuschlagen, fanden wir es wieder okay, darauf zu spielen.
Allerdings kannten wir keine Ironie, wenn es um Mädchen ging. Uns fehlte einfach die Zeit, sie zu entwickeln. Im einen Augenblick gab es noch keine Mädchen, jedenfalls nicht in einer Form, die uns interessiert hätte, und im nächsten Augenblick waren sie nicht mehr zu übersehen; sie waren allgegenwärtig, wohin man auch sah. Gerade noch hatte man ihnen nur dafür, dass sie die eigene Schwester oder die eines anderen waren, eine Kopfnuss verpassen wollen, und im nächsten Augenblick wollte man … ehrlich gesagt, wussten wir nicht, was wir im nächsten Augenblick wollten, aber da war etwas, irgendetwas. Beinahe über Nacht waren all diese Schwestern (es gab keine andere Sorte von Mädchen, noch nicht) interessant, javerwirrend geworden.
Was bitte, hatten wir denn, was wir vorher nicht gehabt hatten? Kieksige Stimmen, aber was hat man schon von einer Kieksstimme – sie macht einen lächerlich, nicht begehrenswert. Und das sprießende Schamhaar war ein strenges Geheimnis zwischen uns und unseren Unterhosen, und Jahre sollten vergehen, bis jemand vom anderen Geschlecht bestätigen konnte, dass es da war, wo es hingehörte. Die Mädchen hingegen hatten ganz unübersehbar Brüste und eine zu ihnen passende neue Art zu gehen: mit über der Brust verschränkten Armen, einer Pose, mit der sie das, was passiert war, gleichzeitig überspielten und betonten. Und dann das ganze Make-up und Parfüm – ausnahmslos billig und ungeschickt, manchmal bis zur Lächerlichkeit aufgetragen, aber doch ein ziemlich alarmierendes Zeichen dafür, dass eine Entwicklung ohne uns, jenseits unseres Horizonts, hinter unserem Rücken stattgefunden hatte.
Ich fing an, mit einer von ihnen zu gehen … halt, stimmt nicht … ich hatte absolut keinen Anteil an dem Entscheidungsprozess. Ich könnte auch nicht behaupten, dass sie anfing, mit mir zu gehen: Das Problem liegt in der Formulierung »mit jemandem gehen«, denn sie unterstellt irgendeine Art von Übereinstimmung und Ebenbürtigkeit. Was passierte, war, dass David Ashworths Schwester Alison sich von dem weiblichen Trüppchen löste, das sich jeden Abend bei der Bank versammelte, und mich unter ihre Fittiche nahm, sich unterhakte und mich von der Schiffsschaukel entführte.
Heute weiß ich nicht mehr, wie sie das anstellte. Ich glaube, selbst damals war es mir nicht klar, denn ich entsinne mich noch gut, wie völlig perplex ich plötzlich mitten in unserem ersten Kuss war, weil ich mir nicht im Geringsten erklären konnte, wie Alison Ashworth und ich so intim hatten werden können. Mir war nicht mal klar, wie ich auf ihrer Seite des Parks gelandet war, weit weg von ihrem Bruder und Mark Godfrey und den Übrigen, oder wieso wir uns von Alisons Haufen abgesetzt hatten, oder wieso sie mir ihr Gesicht zuneigte, damit ich wusste, dass von mir erwartet wurde, meinen Mund auf ihren zu drücken. Die ganze Episode widersetzt sich jeder rationalen Erklärung. Aber all diese Dinge geschahen, und sie wiederholten sich, die meisten von ihnen auch am folge