: Moritz Jacobi
: Ökologische Ökonomie und Monetarisierung der Umwelt. Was kostet die Welt? Zur Monetarisierung von Ökosystemen
: Grin Verlag
: 9783656234661
: 1
: CHF 26.50
:
: Völkerkunde
: German
: 74
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF/ePUB
Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Sonstiges, Note: 1,3, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprache: Deutsch, Abstract: Ziel dieser Arbeit ist es, das Thema aus der ökonomischen Okkupation mit Fokus auf die Evaluation gegenwärtiger Ökosystemleistungen herauszulösen und in einen breiteren, auch für Laien verständlichen und für die Ökonomik unsichtbaren Kontext zu stellen. Dabei interessieren vor allem Prämissen und Implikate derer, die unsere Natur mit Preisen versehen, um sie zu retten (oder sich kommerziellen Erfolg zu sichern). Schließlich geht es um eine langfristige, grundlegende Neuausrichtung der alltäglichen Aneignung von Natur, womit das Thema alle Geisteswissenschaften etwas angeht. Meine Untersuchungen widmen sich zum einen der fachübergreifenden diskursanalytischen Aufarbeitung des Feldes und fragen somit nach der Entstehungsgeschichte, den Akteuren, Motiven und Instrumentarien der Inwertsetzung von Ökosystemen. Hierbei steht der geistesgeschichtliche Hintergrund, d.h. die zugrundeliegenden Konzepte von Ökonomie, Natur und Geld, im Vordergrund. Außerdem möchte ich die These diskutieren, ob diese Praxis und die dahinterstehende Konzepte neben der vermeintlichen Objektivierung und Entfremdung von ?der Natur? zugleich auch die Trennung des Urteilens in die Teilbereiche der Moral, der Ästhetik und der Theorie in eine werttheoretischen Synthesis überführen kann. Vereint der monetäre Wert - vermittelt über die ?Gleichgültigkeit? des Geldes - alle weiteren Arten von Werturteilen gegenüber der Natur, indem er diese Urteile in ihrer Funktion als Zahlungsmotivationen darstellbar und für die Logik von Kosten-Nutzen-Rechnungen kommensurabel macht? Und: Stellen die Kapitalisierung von Ökosystemleistungen und der damit gegebene wirtschaftliche Impetus zur Wahrung ihrer Funktionalität nicht eine neue Anerkennungsbeziehung zur Natur her, da Tausch- und Zahlungslogik, anders als ethisch-normative oder ästhetische Ratio, zugleich abstrakt und reell-praktisch sind?

individuelle Wahrnehmung und Neigung des Bewerters, nicht zuletzt an Wissen und Kommunikation gebunden. Allein der älteste Naturfaktor der Ökonomik, Boden, ist ein äußerst komplexes lebendes System. In gerademal einem Teelöffel Wiesenbodens können sich bis zu fünf Milliarden Bakterien, 20 Millionen Pilze und eine Million Protozoen tummeln, höhere Lebewesen sind bereits ab 1 m³ zu Zigtausenden enthalten. Die Partikel eines Kilos lehmreichen Bodens bilden




rund 8000 m² Oberfläche, auf denen biochemische Reaktionen stattfinden. 15 Man monetarisiert

daher nicht die Vielzahl all dieser Mikroprozesse, sondern deren Makroeffekte, die uns als Ökosystemdienste, als ›free gifts of nature‹ (D. Ricardo) erscheinen: Schutz vor Überschwemmungen durch Speicherung von Wasser, Filterung von Giften, Fruchtbarkeit durch Umwandlung von Abfällen in Nährstoffe, Regulierung des Klimas durch Mitwirkung im Kohlenstoff-, Stickstoff- und Schwefelkreislauf der Erde, u.a. Es wird dabei in der neueren Literatur zwischen dem eigentlichen Dienst und seinem Nutzeffekt unterschieden. Erholung beispielsweise ist ein Nutzen und kein Ökosystemdienst, da hierfür zumeist auch bestehende Kapitalformen und technische Infrastruktur benötigt werden. Würden einfach solche Nutzeffekte monetarisiert, würden bestimmte Funktionen der Natur doppelt und dreifach addiert. Hierzu Fisher, Turner& Morling:»For example, in the M[illenium] A[ssessment], nutrient cycling is a supporting service, water flow regulation is a regulating service, and recreation is a cultural service. However, if you were a decision maker contemplating the conversion of a wetland and utilized a cost-benefit analysis including these three services, you would commit the error of double counting. This is because nutrient cycling and water regulation both help to provide the same service under consideration, providing usable water, and the MA's recreation16service is actually a human benefit of that water provision.«

Hinzu kommt, dass Nutzeffekte sich oft widersprechen: Uns mag der Regenwald auch als klimaregulierende grüne Lunge des Planeten dienen, für lokale menschliche Gemeinschaften

14Grafik: Edam, H.(2004). Patent - Schutz für die Biodiversität? Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Zuweisung globaler Verfügungsrechte an pflanzengenetischen Ressourcen. Diplomarbeit (Uni Hamburg): 67.


hingegen ist er vielleicht in erster Linie Brennstoffreservoir und Geldquelle. Überhaupt determiniert das kommerzielle Interesse vieler Inwertsetzungsstudien die Klassifikation. Wer Trinkwasser verkauft, sieht die Selbstreinigungskapazität eines Flusses als entscheidenden Ökosystemdienst; wer Fischerei betreibt, für den ist sie ein sekundärer Faktor neben anderen.


Fisher, B., Turner, R.K.& Morling, P. (2008). Defining and classifying ecosystem services for decision making: 650.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Trinkwasserverbesserung der Stadt New York in den 1990er Jahren. Anstelle des Baus eines acht Milliarden Dollar teuren Werks zur Reinigung des Süßwassers, entschied sich die Stadt, die oberhalb gelegenen Waldgebiete in den Catskills Bergen aufzukaufen, bzw. die Eigentümer für ökologische Bewirtschaftung zu entlohnen. Die intermediären Dienste der Wälder resultierten in saubererem Wasser als finalem Dienst und schließlich besserem Trinkwasser als Nutzeffekt - und das für 1,5 Mrd. Dollar.17

Das Millennium Ecosystem Assessment hat 2003 eine etwas genauere Darstellung von Ökosystemdiensten gegeben:



Hier finden sich die Ökosystemleistungen in verschiedene Typen differenziert, sowohl auf der Seite d