Keine Angst vor der Öffentlichkeit!
«Jeder Mensch gilt in dieser Welt nur so viel, als wozu er sich selbst macht.»
Dieser Satz stammt nicht etwa von einem amerikanischen Präsidentenberater oder einem Hollywoodstar, der durch gekonnte Selbstinszenierung immer wieder Schlagzeilen in der Presse bekommt, sondern von dem schon zitierten Freiherrn von Knigge, geschrieben im Jahre 1788.
Mehr Schein als Sein? In seiner Anwendung beweisen Karrieristen und Hochstapler, dass das dauernde Reden über die eigene Tüchtigkeit einem oft erspart, seine Leistungsfähigkeit praktisch unter Beweis zu stellen. Auch Ende des 20. Jahrhunderts war es möglich, dass ein psychisch Kranker es schaffte, zum wiederholten Mal als Arzt in einer Klinik zu praktizieren – ohne Zeugnisse oder irgendeine Art von medizinischer Ausbildung. Sein selbstbewusstes Auftreten im weißen Kittel reichte, die Leute in seiner Umgebung von sich zu überzeugen.
Die Werbeindustrie hat aus dem Satz längst gelernt, dass auch die unwahrscheinlichste Behauptung über das zu verkaufende Produkt schließlich akzeptiert wird, wenn man sie nur oft genug wiederholt.
Ein bekannter Bauunternehmer folgte Knigges Devise und erhielt von Fachleuten der Großbanken, die geschult sind, Betrüger zu entlarven, Milliardenkredite – und hinterließ einen Berg von Schulden, den einer der Bankmanager, um sein Versagen zu bagatellisieren, als «Peanuts» bezeichnete.
Selbst Wissenschaftler wissen inzwischen: Man erwirbt sich einen Ruf als Experte am leichtesten dadurch, dass man seine Meinung im Brustton der Überzeugung häufig im Fernsehen und auf Vorträgen verkündet. Für fleißige Genies, die von früh bis abends nur forschen und ihre Laboratorien kaum verlassen, interessiert sich außer ein paar Fachkollegen niemand.
Und wenn auf einer Party zehn Leute beieinander stehen, wird man sich an die ein oder zwei erinnern, die durch amüsantes Plaudern auf sich aufmerksam machten, während die stummen Zuschauer in der Erinnerung keine Spur hinterlassen.
Zum Glück lassen wir uns nicht schrankenlos manipulieren. Wer uns eine Rolle vorspielt, die nicht seiner wahren Persönlichkeit entspricht, wird früher oder später durchschaut. Nur in den Medien kann ein falsches Image über längere Zeit geschickt inszeniert werden. Im persönlichen Umgang lässt sich ein Schein ohne Sein nicht lange aufrechterhalten. Dazu müssten wir unsere Mimik und Gestik einer perfekten Selbstkontrolle unterwerfen. Das ist nicht nur sehr anstrengend, sondern auch beim besten Willen praktisch nicht lückenlos durchführbar. Einige Bereiche der Körpersprache steuert das Unterbewusstsein. Das heißt, die Mimik reagiert auf unsere augenblickliche Stimmung. Der Versuch, willentlich Zorn oder Freude auf das Gesicht zu zaubern, spiegelt äußerlich genau das wider, was er ist – ein kläglich gescheiterter Versuch, eine Laune vorzutäuschen, die nicht da ist. Versuchen Sie einmal zu lächeln, wenn Ihnen nicht nach Lächeln zumute ist, und schauen Sie sich das Ergebnis im Spiegel an.
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