: Ayad Akhtar
: Himmelssucher Roman
: carl’s books
: 9783641090272
: 1
: CHF 4.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Geschichte von Verblendung, Schuld und der Hoffnung auf Versöhnung

Milwaukee, Ende der siebziger Jahre: Hayat ist zehn Jahre alt, als Mina, die Jugendfreundin seiner Mutter, aus Pakistan nach Amerika kommt. Zwischen der schönen wie klugen Frau und dem verschlossenen Jungen entsteht eine innige Beziehung. Mina ist ihrem neuen Leben gegenüber aufgeschlossen, fühlt sich ihrer Kultur und ihrem Glauben aber weiter eng verbunden. So ist sie es auch, die Hayat mit dem Koran vertraut macht. Doch niemand, am allerwenigsten Mina selbst, ahnt, welch tiefgreifenden Einfluss dies auf den Teenager hat.

Als Mina sich in Nathan Wolfsohn verliebt, sieht Hayat seine Welt und alles, was ihm wichtig scheint, bedroht. Aus Eifersucht und Angst begeht er einen ungeheuerlichen Verrat. Zu spät begreift er, welche Katastrophe er damit über diejenigen heraufbeschwört, die er am meisten liebt.

Mit diesem bewegenden Familiendrama ist Ayad Akhtar ein überaus beeindruckender Debütroman gelungen. Klar und einfühlsam zeichnet er seine Figuren, ihre innere Zerrissenheit, ihre Sehnsüchte und Enttäuschungen. Er erzählt von Verblendung und Schuld, ohne zu verurteilen – und von der Hoffnung, dass Versöhnung möglich ist.

Ayad Akhtar, Jahrgang 1970, ist in Amerika geboren und aufgewachsen, seine Eltern stammen aus Pakistan. Er ist Schauspieler, Drehbuch- und Bühnenautor und wurde für seine Texte bereits mehrfach ausgezeichnet.

PROLOG: 1990

Es war der Wendepunkt in meinem Leben, und ich erinnere mich daran, als wäre es erst gestern gewesen.

Die Halle glühte, honigfarben schimmerte der Holzboden im Licht der Scheinwerfer unter der Decke. Am Spielfeldrand drängten sich die Spieler um ihre Trainer, dahinter wir, die tobenden Zuschauerreihen, die es kaum erwarten konnten, dass die Auszeit zu Ende ging.

Einige Reihen unter uns entdeckte ich den Verkäufer, einen untersetzten Typen mit Schwabbelhüfte und rotbraunem Pferdeschwanz, der ihm hinten aus der orange-schwarzen Kappe hing – das waren die Farben unseres College. »Wiener, Bratwürste!«, rief er. »Wiener, Bratwürste!«

Ich hob die Hand. Er nickte mir zu, während er drei Reihen unter uns stehen blieb und einen anderen Kunden bediente. Ich fragte meine beiden Kumpel neben mir, ob sie was wollten.

Bier und Bratwurst, antwortete jeder.

»Glaube kaum, dass er Bier hat«, erwiderte ich.

Unten kehrten die Spieler aufs Feld zurück und nahmen für die letzten Minuten der Spielhälfte ihre Positionen ein. Die Zuschauer sprangen von den Sitzen.

Der Verkäufer gab das Wechselgeld heraus, schob sich den Metallkasten auf die Hüfte, stieg die Stufen herauf und wartete am Rand unserer Reihe.

»Gibt es auch Bier?«, fragte einer meiner Freunde.

»Nur Wiener und Bratwürste.«

»Dann zwei Hotdog mit Bratwurst und einen mit Wiener«, sagte ich.

Er nickte, öffnete den Deckel seines Kastens und fasste hinein. Ich zückte die Brieftasche und wischte die Geldscheine zur Seite, die meine Kumpel mir hinhielten. Der Verkäufer reichte mir drei Päckchen, die sich weich und warm anfühlten.

»Wiener ist oben. Macht neun Dollar.«

Ich gab die Bratwürste weiter und zahlte.

Die Menge johlte, unsere Mannschaft hatte den Ball und näherte sich dem Korb. Ich wickelte den Hotdog aus, aber im Brot steckte keine Rinder-Wiener, sondern eine marmorierte, braun-weiße Bratwurst aus Schweinefleisch.

»He, hat einer von euch meine Wiener?«, schrie ich im Lärm der Menge meinen Kumpel zu.

Beide schüttelten den Kopf. Auch sie hatten Bratwürste.

Ich drehte mich um und wollte dem Verkäufer schon nachrufen, ließ es dann aber sein. Welchen Grund gab es denn, die Wurst nicht zu essen?

Überhaupt keinen.

Wieder kam unsere Mannschaft vor den Korb, der Spieler wurde gefoult. Der Lärm nach dem Pfiff war ohrenbetäubend.

Ich hob die Wurst an den Mund, schloss die Augen, biss ab und kaute. Mein Herz raste, während sich mein Mund mit einem süßen, rauchigen, leicht beißenden Geschmack füllte, der mir absolut bemerkenswert vorkam – was vielleicht auch daran lag, dass er mir so lange verboten gewesen war. Ich kam mir mutig und lächerlich zugleich vor. Und als ich schluckte, überkam mich eine gespenstische Ruhe.