: Jack Slade
: Lassiter 2081 Lassiters riskantes Spiel
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783838718552
: Lassiter
: 1
: CHF 1.80
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: Spannung
: German
: 64
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ein Schwarm Enten zog vorüber. Wilbur J. Lewellyn legte den Kopf in den Nacken, und weil die Nacht mondhell war, konnte er die Silhouetten der einzelnen Vögel gut erkennen. Nicht weit entfernt tönte ein Schiffshorn; wahrscheinlich ein Kriegsschiff, denn Flussdampfer kreuzten nach Sonnenuntergang nicht mehr auf dem Potomac. Unruhig trat Wilbur J. Lewellyn von einem Fuß auf den anderen. Seine Hände waren feucht und gern hätte er sich einen Zigarillo angezündet. Doch der Mann, auf den er wartete, stand im Ruf, unberechenbar zu sein. Auf keinen Fall wollte er riskieren, ihn plötzlich mit geladenem Karabiner im Rücken zu haben. Also zügelte er seine Sucht. Endlich der vereinbarte Ruf des Käuzchens, und Schritte näherten sich. 'Er kommt', flüsterte jemand zwischen den Bäumen.

»Ist er allein?«

»Zwei Männer sind bei ihm. Soldaten, wie er.«

Lewellyn nickte langsam. »Also gut. Bringen wir’s hinter uns.« Der Andere verschwand in der Nacht. Lewellyn ging ein Stück in den Flusswald hinein, band seinen Schimmel los und stieg in den Sattel. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Seit dem Bürgerkrieg hatte er nicht mehr gekämpft. Und der war schon ein paar Jahre her.

Er trieb sein Pferd an, lenkte es aus dem Wald und zum alten Indianerpfad, der zwei Meilen weiter östlich in den Fahrweg nach Washington D.C. einmündete. Auf ihm würde der Colonel zum alten Bootshaus kommen, dem vereinbarten Treffpunkt.

Ein paar Minuten später sah er ihn auch schon. Er hockte auf seinem Pferd – und rauchte. Außer ihm konnte Wilbur J. Lewellyn niemanden entdecken. Hatte er seine Wachhunde also in Deckung gehen lassen. Das machte die Sache nicht einfacher. Er ritt zu dem Wartenden.

»Sie wollten mich sprechen, Colonel Rice?« Ein paar Schritte vor ihm hielt Lewellyn seinen Schimmel an und lüftete die Melone.

»Verflucht, Wilbur – tun Sie nicht so scheinheilig!« Der Colonel schwang sich vom Pferd. Vor seinem Schimmel blieb er stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften. In seinem Mundwinkel klemmte die brennende Zigarette. »Kommen Sie schon runter von Ihrem hohen Ross!«

Wilbur J. Lewellyn tat ihm den Gefallen und stieg aus dem Sattel.

»Meinen Sie das ernst?« Der Colonel griff in seine Uniformjacke, zerrte einen zerlesenen Brief heraus und wedelte damit herum. »Ist das wirklich Ihr Ernst, Wilbur?«

Wilbur J. Lewellyn zog einen Zigarillo aus der Brusttasche seines Fracks; jetzt stand er dem gefährlichen Burschen ja gegenüber. Seelenruhig riss er ein Schwefelholz an seinem Sattelzeug an und hielt die Flamme unter die Spitze des Zigarillos. »Haben Sie das Geld mitgebracht, Colonel Rice?«, fragte er, als sich der erste Rauch unter seiner Melonenkrempe sammelte.

Der Colonel wich zurück, als hätte ein Fausthieb ihn getroffen. »Sie meinen es also tatsächlich ernst!« Erst warf er die Zigarette weg, dann den Brief. »Sie müssen wahnsinnig sein!«

Wilbur J. Lewellyn antwortete nicht, musterte sein Gegenüber lediglich mit kühlem Blick. Ein wenig ärgerte er sich – über sich selbst: Er hätte wissen müssen, dass Rice nicht der Mann war, dem man einfach so eine Rechnung präsentierte. Doch auch seinen Ärger ließ er sich nicht anmerken.

»Und ich Trottel habe Sie für einen vernünftigen Mann gehalten, Wilbur!« Der Colonel machte auf den Absätzen kehrt und stapfte zu seinem Pferd zurück. »Für einen Mann, der am Leben hängt! Glauben Sie etwa, es fällt mir schwer,