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»Frau Simmel?«
Die korpulente Frau öffnete die Tür sperrangelweit.
»Bitte schön.«
Beate Moerk trat über die Schwelle und versuchte teilnahmsvoll auszusehen. Sie gab Frau Simmel ihren dünnen Mantel, den diese umständlich auf einen Bügel an der Garderobe hängte. Dann zeigte sie ihr den Weg, ging voran und zupfte nervös an dem engen schwarzen Kleid, das sicher schon einige Jährchen auf dem Buckel hatte. Auf einem rauchfarbenen Glastisch im Wohnzimmer war zwischen den massiven Ledersofas Kaffeegeschirr aufgedeckt. Frau Simmel ließ sich auf ein Sofa sinken.
»Sie kommen doch von der Polizei?«
Beate Moerk setzte sich und legte ihre Aktentasche neben sich. Sie kannte diese Frage. Hatte sich fast schon an sie gewöhnt. Offensichtlich konnte man es gerade noch akzeptieren, wenn weibliche Polizisten die Uniform trugen. Daß der Beruf nicht notwendigerweise von den Kleidern abhing, ging nicht so leicht in die Köpfe. Daß es tatsächlich möglich war, hübsche Zivilkleidung zu tragen und trotzdem seine Aufgaben zu erfüllen.
Vielleicht war es überhaupt schwieriger, Frauen zu vernehmen. Männern war es eher peinlich, aber sie gingen aus sich heraus. Frauen kamen direkt zur Sache, behielten aber gleichzeitig eine gewisse Reserviertheit.
Aber Frau Simmel dürfte wohl kein Problem werden, redete sie sich ein. Dort saß sie auf ihrem Sofa und atmete schwer. Groß und plump mit etwas verweinten, ahnungslosen Augen.
»Ja, ich bin Polizeiinspektorin. Ich heiße Beate Moerk. Tut mir leid, daß ich Sie so kurz danach behelligen muß... Ist niemand bei Ihnen?«
»Meine Schwester«, sagte Frau Simmel. »Sie ist nur eben einkaufen gegangen.«
Beate Moerk nickte und zog einen Notizblock aus der Tasche. Frau Simmel schenkte Kaffee ein.
»Zucker?«
»Nein, danke. Können Sie mir schildern, was am Dienstag abend passiert ist?«
»Ich habe schon... ich habe gestern schon mit einem anderen Polizisten darüber geredet.«
»Mit Kommissar Bausen, ja. Könnten Sie es noch einmal wiederholen?«
»Ich verstehe nicht, warum... da war doch nichts Besonderes.«
»Ihr Mann ist gegen acht Uhr weggegangen?«
Frau Simmel schluchzte leise auf, fing sich dann aber wieder.
»ja.«
»Warum?«
»Er wollte einen Geschäftsfreund treffen ... in der Blauen Barke, nehme ich an.«
»Wickelte er dort öfters seine Geschäfte ab?«
»Ab und zu. Er ist... war... in der Immobilienbranche.«
»Aber Ihr Mann scheint allein in der Blauen Barke gesessen zu haben.«
»Dann ist er wohl nicht gekommen.«
»Wer?«
»Der Geschäftsfreund.«
»Nein, offensichtlich nicht. Aber Ihr Mann ist trotzdem nicht wieder nach Hause gegangen?«
»Nein... er hat dann wohl noch etwas gegessen, wenn er schon einmal da war.«
»Sie hatten vorher nicht gegessen?«
»Nein, kein Mittagessen.«
»Wissen Sie, wer es war?«
»Entschuldigung?«
»Den er dort treffen wollte.«
»Nein... nein, ich mische mich nie in die Angelegenheiten meines Mannes ein.«
»Ich verstehe.«
Frau Simmel zeigte mit der Hand zum Kuchenteller und nahm selbst einen Schokoladenbiskuit.