: Thomas Medicus
: Melitta von Stauffenberg Ein deutsches Leben
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644111110
: 1
: CHF 10,00
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: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als Melitta von Stauffenberg im Januar 1943 von Hermann Göring höchstpersönlich das Eiserne Kreuz II. Klasse erhält, ist dies der vorläufige Höhepunkt einer fast unglaublichen Karriere. Nicht nur beherrscht sie als Testfliegerin und Ingenieurpilotin alle damals bekannten Flugzeugtypen, hat sagenhafte zweitausend Sturzflüge absolviert, selbst ausgewertet und so den Bombenkrieg der Luftwaffe perfektioniert - sie bewahrt auch ein Geheimnis: «Flugkapitän Gräfin Stauffenberg» ist nach den Kriterien der Nazis eine «Halbjüdin». Nur mit Hilfe von ganz oben gelingt es ihr, den Fängen der Rassenjustiz zu entkommen. Für einige Jahre kann sie sich sicher wähnen - bis sie nach dem 20. Juli 1944 in Sippenhaft genommen wird. Enkelin eines jüdischen Textilhändlers aus Odessa, Schwägerin des späteren Hitler-Attentäters, Stuka-Amazone, tragische Heldin ihrer Zeit: Melitta von Stauffenbergs Geschichte erscheint fast wie ein Spiegelbild des totalitären 20. Jahrhunderts, das Eric Hobsbawm das «Zeitalter der Extreme» genannt hat. Ihre Liebe zum feingeistigen Althistoriker Alexander von Stauffenberg war genauso bedingungslos wie ihre Hingabe an die Fliegerei, die ihr am Ende zum Verhängnis wird. Thomas Medicus beschreibt auf der Grundlage bisher unbekannter Quellen dieses ebenso faszinierende wie radikale Leben. Ein einzigartiges Frauenschicksal - und ein dramatisches Kapitel deutscher Geschichte.

 Thomas Medicus, geboren 1953, schrieb u.a. fu?r die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» und war stellvertretender Feuilletonchef der «Frankfurter Rundschau», viele Jahre arbeitete er beim Hamburger Institut fu?r Sozialforschung. Heute lebt Thomas Medicus als freier Publizist in Berlin. 2012 veröffentlichte er die Biographie «Melitta von Stauffenberg», die NZZ dazu: «Was Medicus ausgegraben und recherchiert hat, ist sowohl bemerkenswert als auch bisweilen unglaublich. Gut geschrieben ist es zudem.» 2020 folgte die Doppelbiographie «Heinrich und Götz George», u?ber die der «Deutschlandfunk» meinte: «Aufsehenerregend ... In der Lebensgeschichte bricht sich mehr als ein Jahrhundert deutscher Geschichte.» Zuletzt erschien 2024 «Klaus Mann», das die taz als « ein Glanzlicht biografischer Annäherung an einen Schriftsteller» feierte. 

Prolog
Sturz, Flug, Krieg


Da staunte Dr. Georg Pasewaldt, Oberst im Generalstab und Entwicklungschef im Technischen Amt des Reichsluftfahrtministeriums. Eine Frau mit solch höllischem Wagemut hatte er noch nicht erlebt. Pasewaldt war auf Inspektionsbesuch in Rechlin – hundertfünfzig Kilometer nordwestlich von Berlin lag zwischen Wiesen, Wäldern, Feldern und Seen in Mecklenburg die bedeutendste Flugerprobungsstelle der Reichsluftwaffe. Hier wurden verschiedene fliegende Waffensysteme auf ihre militärische Einsatztauglichkeit überprüft, Flugzeugtypen, Bordinstrumente, Bordwaffen, Bomben. Ein Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten waren im Zuge der noch geheimen Aufrüstung der Luftwaffe im Umkreis Rechlins die Bewohner mehrerer Dörfer umgesiedelt, sodann Gutshöfe, Stallungen, Kirchen bombardiert und schließlich die Ruinen abgerissen worden. So schuf man am Südufer der Müritz Platz für ein fast kreisrundes Flugfeld von mehr als anderthalb Kilometern Durchmesser sowie moderne Flughafengebäude und Wohnsiedlungen. In diesem Sperrbezirk konnte Tag und Nacht für den deutschen Endsieg geflogen, geschossen, gesprengt, berechnet und gemessen werden.

Als Pasewaldt Anfang 1942 zum Himmel über Rechlin blickte, traute er seinen Augen nicht. Sollte die Ju 88, das von den Dessauer Junkers-Werken konstruierte zweimotorige Bomberflugzeug mit seiner so typischen Vollsichtkanzel, etwa zum Absturz gebracht werden? Was denn Sinn und Zweck solch eines waghalsigen Sturzfluges sei, wollte der Oberst wissen, das müsse doch ungeheure Vibrationen erzeugen, ließe sich d