: Ronald Feisel
: Wie Dracula den Kopf verlor und Sissi die Lust 21 unerhörte Geschichten aus der Geschichte - 40 Jahre ZeitZeichen
: Verlag Kiepenheuer& Witsch GmbH
: 9783462305722
: 1
: CHF 9.00
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: Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
ZeitZeichen für zu Hause Die erfolgreichste Geschichtssendung im Radio gibt es jetzt auch als Buch!Seit 40 Jahren begeistert die tägliche Hörfunksendung »ZeitZeichen« Millionen Hörer. Zum Jubiläum legen die Macher ein Buch vor - eine ungewöhnliche, unterhaltsame und spannen de Reise in die Vergangenheit. Sie erzählen 21 Geschichten aus 21 Jahrhunderten. Dabei geht es u. a. um die Hexen von Paris, den Hofmohr von Wien - und um die heißeste Lovestory des Mittelalters.Am Ende dieser rasanten Zeitreise ist eins klar: Die besten Geschichten - schreibt die Geschichte.

Ronald Feisel, Jahrgang 1958, Studium der Journalistik und Politik, Kölner Journalistenschule, Print- und Rundfunk-Volontariat. Seit 2004 Leiter der Redaktion »Stichtag / ZeitZeichen «. Seit 1985 beim WDR als Redakteur, Reporter, Radio und Fernsehmoderator. Seit 1988 Dozent und Coach in der Aus- und Fortbildung für den WDR, Hochschulen, Journalisten und Sportler.
Inhaltsverzeichnis

2.

455 n.Chr.: Üble Nachrede


Vandalen waren besser als ihr Ruf

Namen sind nicht immer Schall und Rauch. Die Goten zum Beispiel haben bis heute einen guten Nachklang, denn nach ihnen ist eine Bauepoche benannt. Genauso die Franken; ihr Reich ist berühmt für feine Mode, teuren Wein und selbstbewusste Frauen. Anders dagegen die Vandalen: Wer Wände beschmiert oder Scheiben einwirft, Mülleimer ansteckt oder Autos verbeult, der »wütet wie ein Vandale«. Was müssen das für hirnlose Dumpfbacken gewesen sein. Oder?

Die Vandalen kommen! Am 2. Juni 455 bricht in Rom Panik aus. Vandalen-König Geiserich ist mit seinen schnellen Schiffen an der Küste der Ewigen Stadt gelandet, bald schon stürmen sie durch die Tore, die germanischen Hünen mit ihren langen Haaren und Bärten, zweischneidigen Schwertern und komisch runden Schilden. Ist das der Untergang Roms?

Doch was in den kommenden zwei Wochen geschieht, hat mit Vandalismus nichts zu tun. Die Angreifer schlagen nicht alles sinnlos kaputt, sondern zeigen ein feines Gespür für Kunst und Kommerz. Ihr König Geiserich schickt Spürkommandos mit Lastkarren durch die Straßen; seine disziplinierten Untertanen durchsuchen die Prachtvillen und nehmen nur die wertvollsten Dinge mit, Schmuck und Gold, alles, was auf die Schiffe passt und Wert hat. Geiseln gehören auch dazu. Später wird man Lösegeld für die vornehmen Römer erpressen oder sie, falls die Angehörigen knausern, als Sklaven verkaufen. Die Vandalen benehmen sich nicht wie eine Horde tumber Toren, sondern wie kluge Diebe. Sie legen in Rom weder Feuer noch randalieren sie.

Wie konnte ausgerechnet dieses Volk einen dermaßen schlechten Ruf in der Weltgeschichte hinterlassen? Tatsächlich handelt es sich um Rufmord. Die Vandalen machten den historischen Fehler, dass sie zu wenig aufschrieben. Alles, was über sie notiert wurde und erhalten blieb, stammt von ihren Feinden: der katholischen Kirche und den Römern. Einer davon war Prokop, ein oströmischer Geschichtsschreiber. In seinem Report über die germanischen »Barbaren« beginnt er eher harmlos nüchtern: »Alle haben sie eine weiße Hautfarbe, blonde Haare, sind groß von Gestalt und schön von Gesicht. Von alters her saßen sie jenseits der Donau.«

Als Barbar galt jeder, der nicht römisch-griechisch gebildet war. Laut Prokop sahen die Angehörigen der barbarischen Stämme aus dem Osten Europas alle gleich aus: Ostgoten, Vandalen, Westgoten. »Kein Wunder«, erklärt Harald Siebenmorgen, Direktor des badischen Landesmuseums in Karlsruhe und ausgewiesener Vandalen-Experte: »Wir sprechen heute eher von wandernden Volksgruppen, die sich mal mehr, mal weniger zu größeren Menscheneinheiten zusammenschlossen und dann im Laufe der Zeit auch irgendwo eine Art Stammesnamen erhielten.« Die Franken zum Beispiel waren ein Verband der unterschiedlichsten Völker und Sippen. Frank, das Wort bedeutet kühn oder frei. Der Stammesverbund der Sachsen wiederum kam durch seine Waffe zum gemeinsamen Namen, den Sax, ein robustes Langmesser, mit dem Sachsen auf ihre Feinde einstachen.

Vandalen, der Begriff steht für »schnell, beweglich«. Ein Name, der passt, denn kein anderer Stamm der Völkerwanderungszeit kam so weit wie dieser kleine Verba