: Kurt Tucholsky
: Schloß Gripsholm Erzählung
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104018669
: Fischer Klassik Plus
: 1
: CHF 2.00
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 130
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Wenn der Verleger um eine kleine Liebesgeschichte »zart im Gefühl, kartoniert, leicht ironisch und mit buntem Umschlag« bittet, liefert der Autor prompt. Nicht ohne ums Honorar zu feilschen, versteht sich. Der Briefwechsel ist der ?Sommergeschichte? von 1931 vorangestellt, in der von einem erotischen Sommerurlaub in Schweden erzählt wird. Kurt Tucholsky erweist sich auch mit dieser Erzählung als großer Satiriker, als witz- und geistreicher Beobachter seiner Zeit.

Kurt Tucholsky (1890-1935) war einer der bedeutendsten und scharfzüngigsten Journalisten und Schriftsteller der Weimarer Republik, ein pessimistischer Aufklärer, ein Meister der kleinen Form.

3


Es ergab sich, daß der Gepäckträger Nr. 47 aus Warnemünde stammte, und der Freude und des Geredes war kein Ende, bis ich diese landsmännische Idylle, der Zeit wegen, unterbrach. »Fährt der Gepäckträger mit? Dann könnt ihr euch ja vielleicht im Zug weiter unterhalten …« – »Olln Döskopp! Heww di man nich so!« sagte die Prinzessin. Und: »Wi hemm noch bannig Tid!« der Gepäckträger. Da schwieg ich überstimmt, und die Beiden begannen ein emsiges Palawer darüber, ob Korl Düsig noch am »Strom« wohnte – wissen Sie: Düsig – näää … de Olsch! So, Gotteseidank, er wohnte noch da! Und hatte wiederum ein Kind hergestellt: der Mann war achtundsiebzig Jahre und wurde von mir, hier an der Gepäckausgabe, außerordentlich beneidet. Es war sein sechzehntes Kind. Aber nun waren es nur noch acht Minuten bis zum Abgang des Zuges, und … »Willst du Zeitungen haben, Lydia?« – Nein, sie wollte keine. Sie hatte sich etwas zum Lesen mitgebracht – wir unterlagen beide nicht dieser merkwürdigen Krankheit, plötzlich auf den Bahnhöfen zwei Pfund bedrucktes Papier zu kaufen, von dem man vorher ziemlich genau weiß: Makulatur. Also kauften wir Zeitungen.

Und dann fuhren wir – allein im Abteil – über Kopenhagen nach Schweden. Vorläufig waren wir noch in der Mark Brandenburg.

»Finnste die Gegend hier, Peter?« sagte die Prinzessin. Wir hatten uns unter anderm auf Peter geeinigt – Gott weiß, warum.

Die Gegend? Es war ein heller, windiger Junitag – recht frisch, und diese Landschaft sah gut aufgeräumt und gereinigt aus – sie wartete auf den Sommer und sagte: Ich bin karg. »Ja …«, sagte ich. »Die Gegend …« »Du könntest für mein Geld wirklich etwas Gescheiteres von dir geben«, sagte sie. »Zum Beispiel: diese Landschaft ist wie erstarrte Dichtkunst, oder sie erinnert mich an Fiume, nur ist da die Flora katholischer – oder so.« »Ich bin nicht aus Wien«, sagte ich. »Gottseidank«, sagte sie. Und wir fuhren.

Die Prinzessin schlief. Ich denkelte so vor mich hin.

Die Prinzessin behauptete, ich sagte zu jeder von mir geliebten Frau, aber auch zu jeder –: »Wie schön, daß du da bist!« Das war eine pfundsdicke Lüge – manchmal sagte oder dachte ich doch auch: »Wie schön, daß du da bist … und nicht hier!« – aber wenn ich die Lydia so neben mir sitzen sah, da sagte ich es nun wirklich. Warum –?

Natürlich deswegen. In erster Linie …? Ich weiß das nicht. Wir wußten nur dieses: Eines der tiefsten Worte der deutschen Sprache sagt von zwei Leuten, daß sie sich nicht riechen können. Wir konnten es, und das ist, wenn es anhält, schon sehr viel. Sie war mir alles in einem: Geliebte, komische Oper, Mutter und Freund. Was ich ihr war, habe ich nie ergründen können.

Und dann die