: Anne Holt
: Mea culpa Roman
: Piper Verlag
: 9783492952422
: 1
: CHF 8.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als Synne zum ersten Mal ihre neue Chefin sieht, verliebt sie sich Hals über Kopf. Doch die 15 Jahre ältere Rebecca ist verheiratet und hat vier Kinder, die sie über alles in der Welt liebt. Die beiden Frauen beginnen eine leidenschaftliche Affäre. Als Rebeccas Mann schließlich ihr Verhältnis entdeckt, zerbricht die Ehe. Auch nach vielen Jahren können Rebeccas Kinder nicht akzeptieren, dass ihre Mutter eine Frau liebt, und es kommt zur tragischen Katastrophe ... Glaubwürdig und berührend erzählt Anne Holt von der Liebe zweier gegensätzlicher Frauen, von Schuld und Verantwortung.

Anne Holt, 1958 geboren, wuchs in Norwegen und in den USA auf. Als freie Autorin lebt sie heute mit ihrer Familie in Oslo. Ihre vielfach preisgekrönten Kriminalromane werden in alle großen Sprachen übersetzt und machen sie mit über 7 Millionen verkauften Exemplaren zu einer der erfolgreichsten skandinavischen Autorinnen weltweit. Ihre beiden Serien um Inger Vik und Hanne Wilhelmsen genießen Kultstatus und wurden erfolgreich verfilmt. 

25


Ich habe angefangen, mich zu bewegen. Fünf Monate lang habe ich mich in einem Radius von fünfhundert Metern um den Bungalow aufgehalten, mit Ausnahme der absolut notwendigen Ausflüge in das Dorf mit seinen»Supermarkets« und Gemüseständen, seinen zerlumpten Straßenhökern, die alles von geschälter Ananas zuT-Shirts feilbieten, von billigem (und erbärmlich schlechtem)»homemade« Schmuck bis zu polierten Meeresmuscheln mit der verschnörkelten Aufschrift»Memories of Mauritius«. Und ich bin nie zu Fuß gegangen, auch wenn es unmöglich mehr als zehn Minuten oder höchstens eine Viertelstunde dauern kann. Hervé fährt mich und wartet geduldig unter einer Palme, mit einer Zigarette und einer Ruhe, um die ich ihn beneide, bis er mich dann mit meinen Einkäufen nach Hause fährt und dafür fünfzig Rupien erhält.

Die Götter mögen wissen, wo er diesen Computer her hat. Er war nicht eingepackt und eindeutig gebraucht. Der Bildschirm war zwar mit einer Art Plastikfolieüberzogen, aber die Tastatur weist braune Flecken auf und ist alles andere als neu.

Ich werde ganz nervös bei der Vorstellung, dass ich möglicherweise Diebesgut gekauft habe (der Preis legt diesen Gedanken durchaus nahe), aber andererseits: Hervé kommt mir vor wie ein ehrlicher Mann, und er hat mir in die Augen geschaut, als er das Geld angenommen hat. Zu allemÜberfluss hat er mir eine handgeschriebene Quittungüberreicht. Ob das Finanzamt die gelten lässt, ist jedoch eine andere Frage, vor allem, wenn ich dazu erzähle, dass mein vorheriger Computer, der kleine praktische Laptop, auf dem Grund des Indischen Ozeans liegt und dass ich ihn selbst hineingeworfen habe.

Ich hatte nämlich versucht, mich selbst zu betrügen. Wie so oft. Ich wollte mir einreden, dass ich nie wieder schreiben würde. Ha! Ich warf den Computer mit dramatischer Geste ins Meer, ich weinte, und es war stockdunkel, und ich wäre sicher gleich hinterhergesprungen, in der Hoffnung, dann zu ertrinken, nur bin ich eine sehr gute Schwimmerin, und bei einer Wassertemperatur von dreißig Grad könnte ich auch nicht erfrieren. Aber es war der pure Betrug. Ich hatte von allem Sicherheitskopien erstellt. Ich habe sogar Petters Flugsimulator kopiert.

Es ist Abend. Ich weiß, dass die Dunkelheit genau um sieben einsetzt, sie bricht jetzt früher an als zuvor, es geht auf den Winter zu, wir haben Mai, und ich bin seit einer Ewigkeit hier. Die Dunkelheit macht mir noch immer Angst. Ich gehe nun schon seit einiger Zeit immer barfuß. Meine Fußsohlen sind nicht härter geworden, sie sind nur weniger empfindlich. Dennoch spüre ich, dass der Sand nicht so warm ist wie mitten am Tag, er ist in gewisser Hinsicht schwerer, er saugt sich stärker fest, erschwert das Gehen und erinnert mich daran, dass ich mich fürchte und mich nicht zu weit vom Bungalow entfernen sollte. Ich muss vor sieben zurück sein. Der Computer, das Einzige, vor dessen Verlust ich mich fürchte, neben dem italienischen Schuhkarton (doch wer könnte an dem Interesse haben?), lässt sich nicht wie der Laptop unter der Matratze verstecken. Ich habe hundert Rupien in der Hosentasche und den Schlüssel um den Hals.

Die Strände sind weiß und klein; nicht endlos und beeindruckend, wie ich vor meinem Eintreffen hier geglaubt habe. Sie werden von kohlschwarzen Steinmassen eingerahmt, von faszinierenden dunklen, fast porösen Steinen. Hier und dort sind Bootsanleger errichtet worden, manche in Beton gegossen, andere eher zusammengeschustert, aus Holzstücken und Tauen.

Von den Anlegern aus wird geangelt. Nur von Männern, nur von Einheimischen, sie alle tragenT-Shirt und Shorts. Alle tragen Sandalen und alle haben Angelruten aus Bambus (ich nehme jedenfalls an, dass es sich um Bambus handelt, die Angeln sehen aus wie die Skistöcke meiner Kindheit, nur sind sie länger, viele Meter lang, biegsam und federnd). Keine Spule, nur eine dünne Sehne, die an der Spitze angebracht ist, fünf, sechs Meter lang mit, vermute ich, einem Tannenzapfen als Schwimmer und einen winzigen Haken mit einem Köder, den ich nicht identifizieren kann, auch nicht, als ich mich vorsichtig neben einen Jungen von vielleicht zwölf Jahren setze und ihm beim Angeln zusehe. Er achtet nicht auf mich, schwer zu sagen, ob er meine Anwesenheitüberhaupt registriert hat. Oder vielleicht ist er daran gewöhnt. Ist an neugierige Gäste gewöhnt, an dunkelrote Deutsche mit teurenABU-Spulen und Bierbauch und Teleskopstangen aus Glasfaser und genug Geld, um an den Einheimischen vorbei an Bord von phantastischen Hochseeyachten zu stolzieren, die sie weit hinaus aufs Meer bringen, wo die großen Fische ihr Unwesen treiben.

Die Menschen hier fangen kleine Fische. Winzige, fast weiße Dinger, von der Größe einer Sardine, die die Angler alle fünf Minuten hochziehen, ohne Begeisterung, ohne ein Wort, sie haben einfach diese zappelnden, minimalen Wesen am Haken, befestigen mit erfahrener Hand neue Köder und werfen die Angeln wieder aus. Einige haben kleine Fisc