Kommunikation über Inkontinenz - ein Thema zwischen alten Patienten, Ärzten und Pflegenden?
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Katja Kummer
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Kommunikation über Inkontinenz - ein Thema zwischen alten Patienten, Ärzten und Pflegenden?
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Hogrefe AG
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9783456947174
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1
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CHF 23.90
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Allgemeines
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German
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264
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Wasserzeichen/DRM
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PC/MAC/eReader/Tablet
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PDF
Es gibt Behandlungsbereiche, da scheint Sprachlosigkeit zwischen den Professionellen und Patienten zu herrschen. Inkontinenz als eine Erkrankung des Urogenital- und Analbereichs stellt nicht nur ein gesellschaftliches Tabu dar, sondern wird oft auch in Gesprächen zwischen inkontinenten Patienten und Ärzten sowie Pflegenden gemieden. Dies, obwohl Kommunika-tion mit Patienten als eine wichtige Kernkompetenz der Professionellen gilt und sie unerlässlich für die Anamnese, die Diagnoseübermittlung, Therapieplanung und -durchführung sowie für den Erfolg medizinischer und pflegerischer Maßnahmen ist. Diese Arbeit untersucht die Kommunikation über Inkontinenz mittels teilnehmender Beobachtungen und leitfadengestützter Interviews; dabei wird eine geschlechterspezifische Differenzierung vorgenommen. Gezeigt wird, wie Betroffene ihren Verlust der Kontinenzfähigkeit wahrnehmen und ihre Patientenrolle empfinden. Zudem wird geschildert, wie die Betroffenen die Kommunikation mit den Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegenden beurteilen. Weiter werden die unterschiedlichen Sichtweisen der Professionellen auf dieses gesundheitliche Problem dargestellt.
1 Einleitung
Der Zusammenhang von Alter, Gesundheit und Krankheit hat in den vergangenen Jahren national wie international an Bedeutung gewonnen. Kausal dafür sind der demografische Wandel sowie die eng daran geknüpfte Veränderung des Krankheitspanoramas (Kuhlmey, 2008). Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen – so wurden Frauen 1950 im Durchschnitt 68,5 Jahre alt und in 2008 82,4 Jahre. Männer erreichten 1950 ein durchschnittliches Alter von 64,6 Jahren, 2008 wurden sie 77,2 Jahre alt (Statistisches Bundesamt, 2009a). Eine heute 60-jährige Frau könnte statistisch betrachtet noch 24,7 Jahre leben, einem gleichaltrigen Mann könnten 20,9 Jahre bevorstehen (Statistisches Bundesamt, 2009c). Damit steigt auch der Anteil älterer Menschen: So sind heute 20 % der deutschen Bevölkerung 65 Jahre und älter, 2060 werden sie einen Anteil von 34 % darstellen (Statistisches Bundesamt, 2009b).
Lange zu leben also wird immer häufiger zur individuellen wie gesellschaftlichen Realität. – Die Befundlage verweist jedoch darauf, dass das demografische Altern nicht allein mit einem Zuwachs an Lebensjahren einhergeht, sondern ebenso Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen hat: Es steigt die Wahrscheinlichkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen. So bringt die gestiegene Lebenserwartung einerseits eine längere Vitalität älterer Menschen und eine Zunahme an gesunden Lebensjahren mit sich, andererseits korreliert sie eng mit einem Anstieg chronischer Erkrankungen, psychischer Leiden und Pflegebedürftigkeit, zudem wächst die Gefahr der Multimorbidität (Kuhlmey, 2008; Kuhlmey& Schaeffer, 2008).
Vor diesem Tatbestand ist es als gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit zu verstehen, die Probleme des Alter(n)s in den Fokus zu rücken, das heißt auch, die Phänomene des Alter(n)s wissenschaftlich mit dem Ziel zu beleuchten, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen und in die Praxis zu transportieren, um die Versorgung sowie Lebensqualität älterer multimorbider Menschen zu sichern und zu verbessern.
Eine im Alter häufig auftretende Erkrankung, die für betroffene Personen nicht allein physische Einschränkungen bedeutet, sondern insbesondere auch vielfältige psycho-soziale Belastungen mit sich bringt, ist Inkontinenz. Inkontinenz heißt der unfreiwillige Verlust von Harn und/oder Stuhl und ist eine Erkrankung im Urogenitalund Analbereich eines Menschen. Eben diese Körperregion sowie auch die Ausscheidung als intime Handlung gehören zur klassischen Zone der Intimität. Intimität umschreibt einen schutzwürdigen Raum, der dem Zugriff und der Neugier anderer unzugänglich sein soll (Lockot& Rosemeier, 1983). Die Ausscheidung von Harn und Stuhl wird „heimlich“, vor Blicken Fremder abgeschirmt, verrichtet. Durch den unfreiwilligen Kontrollverlust über die Ausscheidungen wird Intimes für andere sichtbar; Schamund Ekelgefühle der betroffenen Person selbst sowie anderer sind die Folge. Die Betroffenen fürchten Stigmatisierung und Diskriminierung (Ashworth& Hagan 1993, Ahnis& Knoll 2008).
Personen, die an Inkontinenz leiden, fällt es oft schwer
Inhalt
6
Zusammenfassung
14
1 Einleitung
20
TEIL I: THEORETISCHE UND DEFINITORISCHE VORAUSSETZUNGEN
24
2 Inkontinenz
24
2.1 Definition
24
2.2 Prävalenz, Geschlecht und Alter
25
2.2.1 Prävalenz
25
2.2.2 Inkontinenz – typisch weiblich?
26
2.2.3 Inkontinenz – eine typische Alterserscheinung?
26
2.3 Inkontinenz und Intimität
27
2.4 Psycho-soziale Aspekte der Inkontinenz
28
3 Theoretischer Rahmen: Kommunikationsprozesse und soziale Rollen
32
3.1 Herleitung des theoretischen Rahmens
32
3.2 Kommunikation im Symbolischen Interaktionismus
33
3.2.1 Definition: Kommunikation
34
3.2.2 Kommunikationsprozess
35
3.3 Rollenzuschreibungen
38
3.3.1 Grundgedanken
38
3.3.2 Arzt und Pflege als Berufsrollen
41
3.3.3 Krankenrolle
48
3.3.4 Geschlechterrolle
51
3.4 Zusammenführung
54
TEIL II: FORSCHUNGSSTAND, FORSCHUNGSFRAGE UND METHODIK
58
4 Empirische Befunde und Ableitung der Forschungsfrage
58
4.1 Empirische Befunde
58
4.2 Forschungsfrage
70
5 Methodisches Vorgehen
72
5.1 Sicherung der Qualität
72
5.1.1 Gütekriterien der Studie
72
5.1.2 Ethische Aspekte
73
5.2 Überblick zum Forschungsablauf
74
5.3 Eine Klinik für Geriatrische Rehabilitation als Untersuchungsfeld
76
5.3.1 Feldzugang
76
5.3.2 Charakterisierung des Untersuchungsfeldes
78
5.3.3 Die Forscherin im Untersuchungsfeld
80
5.4 Durchführung der Fallstudie
81
5.4.1 Methodenwahl
81
5.4.2 Methodenerläuterung
86
5.4.3 Auswertung
90
5.4.4 Deskription der Studienteilnehmer
93
TEIL III: ERGEBNISSE DER FALLSTUDIE UND DISKUSSION
96
6 Institutionelle Rahmenbedingungen
96
6.1 Ankunft der Patienten und ihre Aufnahme durch das Pflegepersonal
97
6.2 Die ärztliche Anamnese
100
6.3 Zusammenfassung
106
7 Inkontinenz als Problem
108
7.1 Patienten: Stellenwert und Belastungserleben
108
7.2 Ärzteschaft: Verschiebung der Zuständigkeiten
114
7.3 Pflegekräfte: Die Versorgung im Pflegealltag
118
7.4 Zusammenfassung
122
8 Kommunikation über die Inkontinenz
126
8.1 Die ärztliche Perspektive: Routine und bio- medizinischer Zugang
126
8.1.1 Im ärztlichen Gespräch
126
8.1.2 Die körperliche Untersuchung
140
8.1.3 Zusammenfassung
147
8.2 Die pflegerische Perspektive: Zwischen Kompensations- maßnahmen und Lebensqualität
148
9 Im Gespräch mit den Betroffenen
158
9.1 Ärztliche Kommunikation: Kompetenzzuschreibung
158
9.2 Pflegerische Kommunikation: Beziehungsorientierung
167
9.3 Kommunikation der Ärzte und Pflegenden: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
175
10 Die Geschlechterfrage
178
10.1 Aus Sicht der Ärzte
178
10.2 Aus Sicht der Pflegenden
184
10.3 Aus Sicht der Patienten
187
10.3.1 Ärztin, Arzt oder egal?
188
10.3.2 Schwester, Pfleger oder egal?
195
10.3.3 Zusammenfassung
201
11 Methodische Einschränkungen der Studie
202
12 Zusammenführung der Ergebnisse und Rückführung auf den theoretischen Rahmen
206
13 Zusammenfassung und Implikationen
216
14 Literaturverzeichnis
232
15 Anhang
244