2 Praxis: Sadhana Pada
Die Menschen ziehen eines dem andern vor,
doch für Himmel und Erde ist alles eins.
Das Hohe, das Tiefe, das Große, das Kleine –
alles empfängt Licht,
alles bekommt einen Platz zum Ruhen.
Tao Te King
Kriya Yoga (1–2)
1
Kriya Yoga ist der praktische Weg des Yoga. Zu ihm gehören: Reinigung, Selbsterforschung und Hingabe an die Quelle, aus der wir kommen.
Tapas – reine Seide und scharfer Stahl
Übung verlangt Selbstdisziplin,tapas,nicht aber Selbstkasteiung. Es gibt Menschen, die sich geißeln oder gar ans Kreuz nageln lassen, die bis zur Selbstzerstörung fasten, die so lange auf nur einem Bein stehen oder den Arm hoch halten, bis ihre Gliedmaßen absterben. Das Ziel von Yoga istchitta vritti nirodhah.Wie könnten solche Praktiken den Geist stillen? In derBhagavad Gitasagt Krishna deshalb zu Arjuna: »Dummköpfe sind die, welche in schrecklicher Entschlossenheit ihre unschuldigen Körper foltern und damit auch mich quälen, der ich in ihnen wohne.« (Kap. 17, Vers 2)
Krishna gibt uns das Bild vom Körper als Tempel Gottes. Tempel sollte man achten, nicht zerstören. Yoga ist deshalb der kluge Weg der Mitte. Er verändert uns ganz allmählich und verhilft uns langsam, aber umso nachhaltiger, zu Klarheit und Stabilität. Wer zu viel in zu kurzer Zeit verändern will, wird keinen Erfolg haben. Wer Hatha Yoga beginnt, kann nicht am ersten Tag frei im Handstand stehen. Wer unliebsame Gewohnheiten aufgeben will, muss dies Schritt für Schritt angehen, sonst entsteht zu viel Widerstand. Doch auch wenn wir uns nur sanft verändern: Veränderung bedeutet Widerstand, Reibung. Reibung erzeugt Hitze. Undtapasheißt ganz wörtlich: Hitze, erhitzen. Hitze transformiert. Durch sie wird Gold gereinigt und Eisen gehärtet. Hitze kann auch wehtun, und manchmal fallen uns die körperlichen und geistigen Bemühungen auf dem Yoga-Weg schwer. Dies anzunehmen, isttapas. Das Leben selbst, das viele schmerzhafte Erfahrungen bereithält, isttapas:Wenn wir diese Erfahrungen annehmen lernen, gewinnen wir an Reife, Klarheit und Kraft.
Tapasist Reinigung und Stärkung auf allen Ebenen. Dieser Prozess beginnt bei unserem Körper – und dies nicht nur äußerlich. Yogis praktizieren seit frühester Zeit ausgeklügelte Techniken zur Reinigung der inneren Körperbereiche, die sieshatkarmasoder auchshatkriyasnennen. Die Körperübungen, Asanas, haben ebenfalls reinigenden Charakter: Sie massieren alle Gewebe und durchfluten sie mit Sauerstoff, sie schwemmen Gifte aus und machen den Körper beweglich und stark. Auch Pranayama wirkt entgiftend und belebend gleichermaßen. Yogische Ernährung ist nahrhaft und entschlackend. So auch die Ethi