Land ohne Staat Wirtschaft und Gesellschaft im Krieg am Beispiel Somalias
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Jutta Bakonyi
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Land ohne Staat Wirtschaft und Gesellschaft im Krieg am Beispiel Somalias
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Campus Verlag
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9783593412283
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Mikropolitik der Gewalt
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1
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CHF 29.00
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Vergleichende und internationale Politikwissenschaft
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German
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396
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Wasserzeichen/DRM
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PC/MAC/eReader/Tablet
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PDF
1991, kurz nach Beginn des bis heute andauernden Krieges, brach in Somalia der Staat vollständig zusammen. Jutta Bakonyi zeigt, wie seitdem die Gesellschaft jenseits zentralstaatlicher Regulierung funktioniert, und welche Macht und Herrschaftsstrukturen sich herausgebildet haben. Die Untersuchung des Handels mit der Droge Khat, des Währungs- und Finanzmarkts sowie der internationalen Entwicklungshilfe verdeutlicht, welche Wirtschaftsstrukturen jenseits des Staates entstanden sind.
Jutta Bakonyi, Dr. phil., ist gegenwärtig für den Zivilen Friedensdienst in Kenia tätig.
7. PolitischeÖkonomie der Warlordfiguration
(S. 276-277)
Macht manifestiert sich in der Warlordfiguration kleinräumig und bleibt instabil. Die wirtschaftlichen Beziehungen dagegenübergreifen die lokalen Machtgefüge und verbinden diese sowohl miteinander als auch mit dem regionalen wie internationalen Umfeld. Trotz anhaltender Gewalt verzeichnete Somalia nach 1995 ein rasches wirtschaftliches Wachstum. Dieökonomischen Indikatoren entsprachen Ende der neunziger Jahre fast denen vor Beginn des Krieges (UNDP 2001: 48).
In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts konnten gar Rekordhöhen im Handel verzeichnet werden (WB 2006: XIf.). Solche Zahlen sagen jedoch wenig darüber aus, wie wirtschaftliche Beziehungen in einem instabilen Machtgefüge, ohne staatlichen Schutz und Rechtsgarantien organisiert werden. Dies wird im Folgenden anhand von dreiökonomischen Arenen untersucht: dem Währungs- und Finanzmarkt (7.1), dem Handel mit Qaat (7.2) und der internationalen Entwicklungshilfe (7.3). Dabei wird eine historische Perspektive eingenommen und gezeigt, wie sich die wirtschaftlichen Tätigkeiten im Krieg verändert und an ihn angepasst haben. Die Frage, in welchem Verhältnis dieökonomischen Beziehungen zur Gewaltorganisierung und zum Aufbau von Herrschaft stehen, wird erneut aufgegriffen.
7.1 Geld, Währung und Finanzen– alles ohne Staat
Das Rückgrat sowohl des Finanzsektors als auch des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in Somalia bildeten Geldüberweisungen aus der somalischen Diaspora. Diese Gelder wurdenüber ein informelles Transfersystem, genannt Xawilaad1,übermittelt. Xawilaad operierte nahezu flächendeckend in Somalia und verbandüber vierzig Länder auf allen Kontinenten (Omer 2002: 5). In Somalia arbeiteten 2005 neun Transferunternehmen mit globaler Ausdehnung und eine unbekannte Zahl lokaler oder regionaler Unternehmen.
Zu den globalen Unternehmen zählten nach der Schließung von Al-Baraakat im Oktober 2001,2 Dahabshiil, Amal, Al-Mustaqbal, Barwaqo Financial Services, Towfiq, Cidgal, Dalsan, Kaah Express und Salama Money Express. Dahabshiil war ein Familienunternehmen, die anderen Transferunternehmen basierten auf Teilhaberschaften (Waldo 2006: 21; Omer 2002: 11). Die Entstehung von Xawilaad ist eng verknüpft mit drei parallelen Entwicklungen: die durch den Krieg ausgelöste Massenmigration; die Modernisierung der IT- und Telekommunikationsindustrie und die nach 1995 revitalisierte Handelsökonomie (UNDP/EC 2004b: 16).
Inhalt
6
Dank
10
Einleitung
11
1. Theoretische Annäherung: Gesellschaft im Krieg
27
1.1 Zum Stand der Forschung
28
1.2 Kriegsursachen in der Weltgesellschaft
51
1.3 Die soziale Praxis des Krieges
58
1.4 Schlussfolgerung für die empirische Untersuchung des Krieges
88
2. Weltgesellschaft in Somalia
91
2.1 Einführung in Gesellschaft und Geschichte
91
2.2 Gelungene Inwertsetzung – missglückte Modernisierung
97
2.3 Traditionale Gewaltverwaltung im Modernen Staat
101
2.4 Resümee: Gesellschaftliche Konfliktpotenziale
112
3. Mobilisierung und Organisierung der Gewalt
114
3.1 Das staatliche Vorspiel: Der Ogaadeen-Krieg
114
3.2 Der Aufstand
117
3.3 Der Krieg: Massenmobilisierung
140
4. Dynamiken der Gewalt
158
4.1 Die kriegerische Massenbewegung und ihr Zerfall
159
4.2 Die Re- und Neuorganisation der Milizen und ihre Allianzen
173
4.3 Die politische Ökonomie des Chaos
193
5. Humanitäre Interventionen
214
5.1 Geschichte humanitärer Interventionen in Somalia
215
5.2 Arenen der Diversion internationaler Gaben
225
5.3 Resümee: Von Raub und Plünderungen zum Racketeering
239
6. Gewalt, Macht und Herrschaft jenseits des Staates
242
6.1 Fragmentierte Macht: Mogadischu und die Banaadir-Region
242
6.2 Lokale Selbstverwaltung in Bay und Bakool
253
6.3 Verwaltete Rackets: Eroberung und Herrschaft
269
6.4 Resümee: Die Warlordfiguration
274
7. Politische Ökonomie der Warlordfiguration
277
7.1 Geld, Währung und Finanzen – alles ohne Staat
277
7.2 Handelsnetzwerke in Kriegszonen: Das Beispiel Qaat
288
7.3 Internationale Interventionen in eine Gesellschaft ohne Staat
308
8. Resümee: Ökonomie und Herrschaft jenseits des Staates
330
Epilog
341
Verzeichnis der Interviewpartner und Interviewleitfaden
347
Abkürzungsverzeichnis
354
Literatur
357