: Fabian von Poser
: Reportage Namibia Durch die Augen des Geparden
: Picus
: 9783711750402
: 3
: CHF 9.00
:
: Afrika
: German
: 132
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Tiere, die sich in Jahrmillionen so an das Leben in der Wüste angepasst haben, dass sie selbst Temperaturen von siebzig Grad und mehr überleben können, Namibias neue Köche, die immer öfter Spezialitäten aus dem Wüstenboden für sich entdecken, und ein Pilot, der seine Gäste an die abgelegensten Orte Namibias fliegt: In zwölf mitreißenden Reportagen führt Fabian von Poser in das südwestliche Afrika. Dabei gelangt er auch zu den Letzten eines von der immer näher rückenden Zivilisation bedrohten Volkes, den Himba im Kaokoveld, zu den jahrtausendealten Felsmalereien des Brandbergs und in den Fish River Canyon, wo er sich mit störrischen Maultieren herumschlagen muss. In der Küstenstadt Swakopmund spürt von Poser der kolonialen Vergangenheit Namibias nach, er macht sich mit einem Löwenforscher auf die Suche nach den bedrohten Raubkatzen der Namib und geht dem seltsamen Verhältnis von Schwarz und Weiß auf den Grund, das auf der einen Seite so stabil zu sein scheint wie in kaum einem anderen Land Afrikas, auf der anderen aber so brüchig ist wie die Tonerde des Etosha-Nationalparks. Es ist das faszinierende Bild eines Landes, das durch seine archaischen Landschaften verzaubert, und von dem seine Einwohner bis heute sagen, dass es hart wie Kameldorn sei.

Fabian von Poser, geboren 1969 in Hamburg, wuchs in München auf. Während des Studiums der Geschichte und der spanischen Sprachwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universitä arbeitete er bei der 'Süddeutschen Zeitung'. Heute schreibt er als freier Autor für zahlreiche nationale und internationale Tageszeitungen und Magazine. Schon früh entdeckte er seine Liebe zu Afrika. Für seine Reportagen bereiste er Namibia fast drei Dutzend Mal. Im Picus-Verlag erschienen bereits seine Bände zu Argentinien, Abu Dhabi und aktuell zu Kamerun.
Die Hüter des heiligen Feuers (S. 71-72)

Die Himba sind die letzten Nomaden Namibias. Ihr Vermächtnis sind jahrhundertealte Rituale, ihr Leben der Kontakt zu den Ahnen. Doch ihr Lebensraum ist in Gefahr

Bevor das Ritual beginnt, rühren die Frauen eine zähflüssige Paste an, so rot wie Stierblut. In Schalen aus Granit zermahlen sie Roteisensteine. Dann vermengen sie das Pulver mit Butter und den aromatischen Blättern des Omuzumba-Strauches und streichen die Pasteüber ihre nackten Körper, bis auch der letzte Flecken benetzt ist. Sind sie von Kopf bis Fuß eingeschmiert, haben selbst die Zehen einen ockerfarbenen Teint, sind sie bereit für die Zeremonie.

Das letzte Licht des Tages beleuchtet jetzt den Platz. Waagrecht fallen die Sonnenstrahlen in das Rund zwischen den Hütten, hauchen noch einmal Farbe in die Gesichter der Frauen. Ein paar Mopane-Bäume werfen knorrige Schatten. Das Sonnenlicht zerfließt in der Arena. Dann betreten die Heilerinnen das Oval. Zuerst ist es nur die Schamanin selbst, später auch ihre Gehilfinnen. Die Frauen stellen sich im Kreis auf, in ihrer Mitte die Schamanin, eineältere Frau von hohem Wuchs, mit nichts bekleidet als einem Lendenschurz aus Ziegenleder und einer Kette aus Kauri-Muscheln. Jetzt folgt die Patientin.

Ihr Körper ist bis auf die Knochen ausgemergelt, das Gesicht gezeichnet von der Krankheit. Schwankend tritt sie aus dem [97]Schatten einer der Hütten in die Mitte des Platzes. Die Heilerinnen richten sich auf. Dann beginnt das Ritual. Zuerst bedächtig, später immer schneller, schlägt die Schamanin die Trommel. Die Helferinnen schwingen die Kürbisrasseln, jede hat einen gegabelten Heilstock in der Hand. Langsam bringen sich die Heilerinnen im Takt der Trommeln in Trance. Die Patientin verfällt in Apathie. Ihre Augen rollen im Kreis wie weiße Bälle, die Pupillen sind geweitet.

Der Körper bebt, das Herz pocht, die Adern an den Schläfen schwellen an. Noch einmal schwenkt die Schamanin die Trommelüber das Feuer, damit das Fell die richtige Spannung erhält, ihr Instrument kurze, bellende Laute ausstößt. Dann werden die Schläge immer eindringlicher. Apathisch kniet die Patientin im Gemenge der Leiber. Ist ein fortgeschrittener Zustand der Trance erreicht, ist die Kranke zwischen der Halbwelt und der ihren, ist die Schamanin bereit, den Fluch zu erkennen. Es gibt sie noch, diese traditionellen Rituale. Es gibt sie dort, wo die Sonne im Sommer unerbittlich brennt, dort, wo es kaum schattenspendende Bäume gibt, dort, wo sich die trockenen Flussbetten des Hoanib, des Hoarusib, des Khumib, des Sechomib, des Nadas und des Munutum vielleicht einmal im Jahr, manchmal auch nur alle drei, fünf oder gar zehn Jahre mit Wasser füllen.