Hydra aus dem Tümpel: Das Geheimnis des ewigen Lebens
In Deutschlands Tümpeln lebt das Geheimnis ewiger Jugend. Dort fischt, kaum drei Zentimeter groß, ein transparentes Wesen mit seinen Tentakeln nach Wasserflöhen, Insektenlarven und anderen Kleintieren, die es mit seinem Nesselgift tötet. Leicht ist es zu übersehen, doch besitzt es eine beinah unglaubliche Eigenschaft: Es ist das einzige mehrzellige Lebewesen, das unter optimalen Umweltbedingungen, wenn es genug zu fressen hat und nicht selber zum Opfer hungriger Räuber wird, unendlich alt werden kann. Das kleine Tier muss nur den Tod durch Katastrophen fürchten.
Ein Süßwasserpolyp stirbt nämlich einfach nicht. Wenn man ihn entzweischneidet, entstehen aus beiden Teilen neue Tiere. Selbst wenn man ihn durch ein Netz drückt, entwickelt sich aus beinahe jedem Partikel des Polypenmatsches ein neuer Polyp; ein Zweihundertstel des Körpers genügt zur völligen Regeneration. Genau wie die Sagengestalt aus der griechischen Mythologie, die siebenköpfige Hydra, der man den Kopf abschlagen kann und der immer wieder nachwächst, ist er einfach nicht totzukriegen. Weshalb ihn die Wissenschaft auch nach dem Monstrum benannt hat:Hydra viridis.
Theoretisch unsterblich: ein Süßwasserpolyp aus Deutschlands Tümpeln.
Die Hydra aus dem Tümpel ist ein Meister der Regeneration: Sie hat ein perfektes System der Rundumerneuerung entwickelt. Statt Schäden am Körper zu reparieren und auszubessern, ersetzt sie die zerstörten oder «baufälligen» Teile einfach durch neue. Auch bei einem intakten Polypen werden alle Zellen innerhalb von fünf Tagen durch neue ersetzt. Der Körper produziert aus Stammzellen stetig neue Zellen, die durch den Körper wandern und dort haften bleiben, wo sie eben gebraucht werden. An der Stelle formen sie sich aus – zu Nesselkapseln etwa oder sogar zu Nervenzellen. So hat die Hydra ein beinahe perfektes System zwischen Abbau und Aufbau gefunden – eine Möglichkeit, dem Tod durch Altern zu entgehen.
Für den Alternsforscher James Vaupel vom Rostocker Max-Planck-Institut für demographische Forschung ist der kleine Polyp ein Beleg dafür, dass es kein prinzipiell festgelegtes Höchstalter geben muss: «Es ist üblich anzunehmen, dass bei Lebewesen mit steigendem Alter die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass sie sterben. Dass der Alterungsprozess also zwangsläufig ist und so zu einer höheren Sterberate führt.» Vaupel hält diese Vorstellungen für «veraltet».
Damit widerspricht er anderen Alternsforschern, die meinen, mit etwa 120 Jahren sei Schluss für den Menschen, denn für mehr sei der menschliche Körper einfach nicht gebaut. Und wirklich hat die Altersweltrekordlerin Jeanne Calment aus dem französischen Arles 1997 genau 122 Jahre, 5 Monate und 14 Tage gelebt. So alt wie sie ist nachweislich noch nie zuvor ein Mensch geworden. Hat sie aber wirklich damit eine natürliche Grenze erreicht? Andere Alternsforscher dagegen halten sogar eine Lebensspanne von 150 Jahren für durchaus möglich.
Vaupel ist auch das noch nicht genug, denn dem renommierten Forscher fehlen bei derlei Annahmen wissenschaftlich fundierte Argumente: «Prognosen zur maximal möglichen Lebenserwartung werden bisher doch mit faszinierender Regelmäßigkeit von der Realität eingeholt.» Denn seit 1840 steigt die Lebenserwartung linear an, sofern man nur den weltweit höchsten Wert betrachtet, nämlich kontinuierlich um jeweils drei Monate pro Jahr.
Auch die durchschnittliche Lebenserwartung in den Industrieländern nimmt seither zu: 1840 hielten Frauen in Schweden den Rekord mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 45 Jahren; heute wird in Japan mit 85 Jahren bei Frauen und 78 Jahren bei Männern die höchste Lebenser