Ein Märchen
Er hörte von ihrem Herannahen täglich und war davon beunruhigt, darum machte er sich lustig. »Es regnet! Den Weisen aus dem Morgenlande wird ihr Weihrauch naß werden.« Er fürchtete eher, daß die Liga sie gefangennehmen und ihm wegschnappen könnte, bevor sie zur Stelle waren mit aller großen Ehre und sichtbarem Ruhm, die sie ihm darbringen wollten. Als sie von der Loire noch mehrere Tagesreisen entfernt waren, schickte er ihnen zahlreiche Truppen entgegen, scheinbar als Ehrengeleit, aber er meinte es ernster. Hierauf erwartete er sie in seinem Schlosse zu Tours, und das dauerte. Unterwegs war einer der bejahrten venezianischen Herren von Unpäßlichkeit befallen. »Es ist eine recht alte Republik«, sagte Henri zu seinem Diplomaten, Philipp Du Plessis-Mornay.
»Sire, die älteste in Europa. Sie war unter den mächtigsten, jetzt aber ist sie die erfahrenste. Wer Erfahrung sagt, weiß gewöhnlich nicht, daß er Verfall meint. Denen, die jetzt kommen, ist auch das bekannt. Nun ermessen Sie dies Ereignis! Die klügste Regierung, sie ist nur darauf noch bedacht, die Gebrechen des Alters mit Würde zu tragen und den Tod hinauszuschieben, sie hat an allen Höfen die besten Beobachter und liest Berichte, Berichte: plötzlich rafft sie sich auf, sie handelt. Venedig fordert die Weltmacht heraus, es huldigt Ihnen nach Ihrem Sieg über die Weltmacht. Wie groß muß Ihr Sieg sein!«
»Ich habe angefangen, über meinen Sieg nachzudenken. Der Sieg, Herr de Mornay«, begann Henri, stockte und lief erst einmal hin und her durch den steinernen Saal des Schlosses von Tours. Sein Jugendgefährte sah ihm nach; wie schon oftmals fand er, daß er seinen Fürsten richtig gewählt habe. Der gibt für seinen Sieg nur Gott die Ehre! Der strenge Protestant nahm bei dieser Wahrnehmung den Hut ab. Da stand er, ein Vierzigjähriger in dunkler Kleidung, der weiße Kragen einfach umgelegt nach Art seiner Glaubensgenossen, ein sokratisches Untergesicht, die Stirne hoch, besonders glatt und empfänglich für allerlei Licht.
»Mornay!« Henri hielt vor ihm an. »Der Sieg ist nicht mehr, was er war. Wir beide kannten ihn sonst anders.«
»Sire!« erwiderte der Gesandte klar und ohne Unruhe. »Sie haben in Ihrem früheren Amt als König von Navarra einige böse Städte, die Ihnen widerstanden, zur Vernunft gebracht. Zehn Jahre der Mühe und Arbeit und eine namhafte Schlacht; dann hatte Fama Sie berühmt genug gemacht, daß Sie Erbe der Krone wurden. Der König von Frankreich, der Sie jetzt sind, wird weniger mühselig kämpfen, wird größer siegen, und Fama soll, um seinetwegen, stärker die Flügel rühren.«
»Wenn das der ganze Unterschied wäre! Mornay, seit meinem Sieg, wegen dessen die Venezianer herbeireisen, habe ich Paris belagert und bin unverrichteterdinge abgezogen. Wissen das die Venezianer nicht?«
»Es ist weit bis Venedig, und sie waren schon auf der Reise.«
»Sie könnten umkehren. Sind es nicht kluge Leute? Solche begreifen, was es heißt, wenn ein König seine eigene Hauptstadt belagern muß, und noch dazu vergeblich. Metzeln, plündern – und abziehen, nachdem ich von einem Turm in die Stadt geblickt und mich vor einem Mönch gefürchtet hatte.«
»Sire, das Kriegsglück.«
»So nennen wir’s. Aber was ist es? Während ich das eine der Tore bewache, zieht Mayenne durch da