Zwei
Mir liefen die Tränen übers Gesicht, sosehr ich auch gegen sie ankämpfte. Ich hatte nie gelernt, wie man Zwiebeln schneidet, ohne zu weinen. Halbblind tastete ich nach dem klingelnden Handy.
«Maria Kallio.»
«Koivu hier, grüß dich.»
«Hallo! Warte mal, ich muss mir die Tränen abwischen.» Ich legte das Handy weg, drehte die Kochplatte aus, nahm die Pfanne vom Herd und schnäuzte mich ausgiebig.
«Was bringt dich denn zum Weinen? Etwa ‹Reich und schön›?», frotzelte Koivu, als ich sprechbereit war.
«Nee, ’ne Zwiebel. Ich mach gerade Räucherlachssoße.»
«Das Kochen wirst du Antti überlassen müssen. Schwere Körperverletzung in Latokaski, Täter unbekannt. Das Opfer wird gerade operiert, hat aber kaum Überlebenschancen. Anu und Puustjärvi sehen sich in der Gegend um, wir brauchen Verstärkung.»
«Ruf erst mal bei der Schutzpolizei an und versuch, Lähde zu erreichen. Wo bist du jetzt?»
«Im Präsidium, aber ich fahr gleich zur Klinik.»
«Hier in Espoo? Dann treffen wir uns spätestens in einer Stunde dort.»
Ich schaltete die Kochplatte wieder ein und gleich noch eine zweite für die Nudeln dazu. Die Soße würde nicht so lange köcheln wie geplant, doch das ließ sich nicht ändern. Hauptsache, ich bekam etwas Warmes in den Bauch. Zum Mittagessen hatte ich keine Zeit gehabt, und nach der Arbeit war ich sieben Kilometer gejoggt. Meine letzten Reserven waren aufgezehrt, mit leerem Magen würde ich nichts mehr zustande bringen.
Ich warf die klein gewürfelten Zwiebeln in die Pfanne, gab zwei zerdrückte Knoblauchzehen dazu und ließ das Gemisch in Olivenöl glasig werden. Die Zucchiniwürfel und der in Stücke geschnittene kaltgeräucherte Lachs brauchten nicht lange zum Garwerden. Ich war keine Meisterköchin, aber Soßen gelangen mir immer. Ich gab die Nudeln in das siedende Wasser, mischte den Salat und schmeckte die Soße mit Crème fraîche, Rosépfeffer und einem Schuss Weißwein ab. Dann holte ich meine Familie zu Tisch. Antti war damit beschäftigt, einen Apfelbaum zu stutzen, der mit knapper Not den Winter überstanden hatte, und unsere Tochter Iida baute für ihre Puppen eine Burg aus Steinen und Lehm, den sie sich auch ins Gesicht geschmiert hatte.
«Das Essen ist fertig!», rief ich. Bis Antti der Kleinen Hände und Gesicht gewaschen hatte, würden die Nudeln gar sein. Unser Kater Einstein schlüpfte mit ins Haus. Er hatte den Lachs gerochen und wusste, dass von Iidas Teller einige Brocken für ihn abfallen würden.
«Möchtest du ein Glas Wein?», fragte Antti, als ich Iida das Lätzchen umband.
«Nein danke. Koivu hat angerufen, ich muss noch arbeiten.»
«Schade. Es ist so ein schöner Frühlingsabend, wir hätten einen Spaziergang machen können», bedauerte Antti und goss sich selbst großzügig ein.
«Es dauert sicher nicht lange. Ich habe morgen früh eine Sitzung, deshalb will Koivu heute Abend noch das Vorgehen mit mir abklären. Schwere Körperverletzung», sagte ich leise. Iida war zwar erst zweieinhalb, doch in ihrer Anwesenheit sprach ich nicht gern über berufliche Dinge.
Ich aß hastig, zog eine saubere Bluse an und vergewisserte mich, dass mein Pferdeschwanz nicht allzu schief saß. Vor dem verwitterten Einfamilienhaus, in dem wir zur Miete wohnten, wirkte mein Dienstwagen, ein n