Ich darf auf meinem eigenen Balkon grillen, wie ich will.
Wenn unsere Leitstelle über Funk ihre unzähligen Einsätze an die Besatzungen der einzelnen Streifenwagen vergibt, kann man fast immer schon am Klang der Stimme und der Sprechweise des Kollegen erkennen, ob es sich um einen dringenden, kuriosen oder alltäglichen Fall handelt. Grundsätzlich ist das gut, weil wir so im Voraus wissen, was uns gleich erwartet. Allerdings löst es in dem einen oder anderen Fall auch schon mal ein gewisses Unbehagen bei den angesprochenen Kollegen aus, und das ist dann natürlich weniger angenehm.
Diesmal erreichte uns ein wirklich dringender Einsatz, was wir ohne Zweifel an der hektischen Stimme des Kollegen am Funk bemerkten. Aufgrund der Dringlichkeit und der dadurch entstehenden inneren Aufregung versuchen die meisten Kollegen, den Einsatz möglichst schnell weiterzuleiten. Dabei erheben sie – oft völlig unbewusst – die Stimme und reihen die Wörter schneller als üblich aneinander. Außerdem sprechen sie mehrere Einsatzfahrzeuge gleichzeitig an und nennen den Einsatzgrund im selben Atemzug. In weniger dringenden Fällen warten sie vorher die Bestätigung ab, dass die Angesprochenen just in diesem Moment den Funk mithören.
«Irma elf-zweiunddreißig, elf-dreiunddreißig und elf-fünfunddreißig! Hauptstraße fünfzig. Brand in einem Mehrfamilienhaus! Achtung, es befinden sich wohl noch Menschen im Gebäude. Die Feuerwehr rollt schon mit zwei Löschzügen an. Sonder- und Wegerechte sind für alle freigegeben!»
So schallte es eines sonnigen Samstagnachmittags aus dem Lautsprecher unseres Bullis. Der Kollege in der Leitstelle hatte den Satz «Sonder- und Wegerechte sind für alle …» noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da schaltete Toto auch schon mit der linken Hand Blaulicht und Horn ein, während er mit der rechten zum Funkgerät griff.
«Irma elf-fünfunddreißig hat verstanden», gab er sofort als Bestätigung an die Leitstelle durch.
Im Laufe der Jahre setzt ein gewisser Automatismus in solchen Situationen ein, und ich ertappte mich dabei, wie ich sofort das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat. Der Streifenwagen beschleunigte rasch. Ich würde mich selbst als einen eher defensiven, ja fast vorsichtigen Fahrer bezeichnen, aber bei Einsatzfahrten, bei denen es um Sekunden geht, die über Leben und Tod entscheiden, müssen wir ein größeres Risiko eingehen. Denn trotz aller Fahrkünste und Sicherheitstrainings sind solche Fahrten unter Adrenalin immer etwas Besonderes und teilweise sogar ganz schön gefährlich.
Wir stellen immer wieder fest, dass nicht nur wir in solchen Momenten an die Grenzen unserer Konzentrationsfähigkeit gehen, sondern dass auch die anderen Fahrzeugführer beim Einsatz von Blaulicht und Martinshorn teilweise überfordert sind und völlig irrational und abrupt reagieren. Plötzlich wirkt die dicke weiße Haltelinie an einer auf Rot stehenden Ampel auf manche Autofahrer wie eine undurchsichtige und zugleich undurchdringliche Mauer, die sie auf keinen Fall überwinden dürfen. Erst recht nicht, wenn die Polizei hinter ihnen ankommt.
In solchen Fällen stehen wir mit Martinshorn und Blaulicht hinter dem auf der Straße angewachsenen Auto und kommen trotzdem einfach nicht vorbei. Schließlich steht die Ampel auf Rot! Da hilft meistens nur der Außenlautsprecher des Streifenwagens und ein eindringliches «Fahren Sie bitte langsam bei Rot über die Linie in die Kreuzung und machen Sie so Platz für unser Einsatzfahrzeug!», sonst verharren solche Autofahrer bis in alle Ewigkeit unbeweglich wie ein K