: Anthony Capella
: Kaffee oder Das Aroma der Liebe
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644440616
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 592
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
London, 1896: Der Dandy Robert Wallis lebt vom Geld seines Vaters, amüsiert sich mit Prostituierten und verbringt seine Zeit am liebsten im Café. Eines Tages lernt er dort den erfolgreichen Kaffeehändler Samuel Pinker kennen, der den verkannten Poeten engagiert. Er soll eine universelle Sprache für die Aromen des Kaffees finden. Robert ist zunächst wenig begeistert. Doch dann trifft er Pinkers attraktive Tochter Emily. Und Robert Wallis erhält einen ersten Geschmack davon, wie bitter und wie süß die Liebe sein kann ... «Der Roman bietet glänzende Unterhaltung ... Leichthändig, souverän, mit viel Witz und Sinnlichkeit erzählt.» (NDR Kultur) «Die überraschenden Wendungen der Geschichte und die authentische Liebesgeschichte dürften aus dem Buch einen Publikumsrenner machen.» (Publishers Weekly) «Eine temporeiche Lektüre, vorangetrieben von Capellas meisterhaften Charakterisierungen.» (Kirkus Reviews)

Anthony Capella wurde 1962 in Uganda geboren und besuchte in England das St Peter's College der University of Oxford. Er ist ein literarischer Genussmensch, der es sich zum Ziel gesetzt hat, den Lesern seiner Bücher Sinnesfreuden zu bescheren. Anthony Capella hat bereits zwei Romane veröffentlicht, die in 22 Sprachen übersetzt wurden. Er lebt und arbeitet in Oxfordshire.

3


Der wesentliche Faktor, der den Geschmack beeinflusst, ist die Auswahl der Bohnen.

 

Lingle,Das Handbuch des Kaffeeverkosters

 

Ich frühstückte gerade im Café Royal – eine Portion Austern, dazu üppige Scheiben Schinken mit einer grünen Soße –, als der Kellner mir meinen Kaffee brachte. Ohne von meiner Zeitung aufzublicken, nahm ich einen Schluck, runzelte die Stirn und sagte: «Verdammt nochmal, Marsden, der Kaffee schmeckt moderig.»

«Es ist haargenau derselbe Kaffee, den auch die übrige Kundschaft zu trinken beliebt», sagte der Kellner überheblich. «Meines Wissens gab es bislang noch keinen Anlass zur Beanstandung.»

«Wollen Sie damit sagen, ich sei kleinlich, Marsden?»

«Haben Sie sonst noch einen Wunsch, Sir?»

«Als Kellner, Marsden, beherrschen Sie alle Fertigkeiten, nur nicht die Kunst des Kellnerns. Als Mann von Geist beherrschen Sie alles Nötige, nur nicht den Humor.»

«Danke, Sir.»

«Und ob ich kleinlich bin. Eine gut zubereitete Tasse Kaffee ist schließlich der angemessene Auftakt zu einem müßigen Tag. Sein Aroma ist betörend, sein Geschmack süß; dabei hinterlässt er nichts als Bitterkeit und Reue. Darin gleicht er freilich den Wonnen der Liebe.» Zufrieden über dieses Aperçu nippte ich erneut an dem Kaffee, den Marsden mir gebracht hatte. «Allerdings», setzte ich hinzu, «scheint er in diesem Fall nach kaum mehr als nach Moder zu schmecken. Vielleicht mit einem leisen Nachgeschmack von verschimmelten Aprikosen.»

«Keine Ursache, Sir.»

«Gewiss.» Ich wandte mich wieder derGazette zu.

Der Kellner zögerte noch. «Wird der junge Gentleman heute Morgen für sein Frühstück zahlen?», erkundigte er sich mit einem leichten Anflug von modisch gelangweilter Melancholie.

«Schreiben Sie’s bitte auf, Marsden. Seien Sie so freundlich.»

 

Nach einer Weile merkte ich, dass sich jemand zu mir gesetzt hatte. Über meine Zeitung hinweg sah ich, dass mein Tischnachbar ein kleiner, gnomenhafter Gentleman war, der sich durch seinen groben Gehrock von den üblichen Gecken und Dandys unterschied, die sonst an diesem Ort anzutreffen waren. Ich rechnete eigentlich damit, dass jeden Augenblick meine Freunde Morgan und Hunt zu mir stoßen würden, aber da es noch früh und der Raum noch wenig frequentiert war, würde man sich bei ihrer Ankunft ohne weiteres an einen anderen Tisch setzen können. Ich war jedoch ein wenig neugierig, zumal es angesichts der zahlreichen noch freien Tische umso überraschender war, dass der Fremde sich unaufgefordert gerade zu mir gesetzt hatte.

«Samuel Pinker, Sir, zu Ihren Diensten», sagte der gnomenhafte Herr mit einer leichten Verneigung des Kopfes.

«Robert Wallis.»

«Ich habe zufällig Ihre Bemerkung dem Kellner gegenüber gehört. Sie erlauben?» Worauf er meine Tasse nahm, sie an seine Nase führte und ebenso behutsam daran roch, wie ich an jenem Morgen an der für mein Knopfloch auserkorenen Blume gerochen hatte.

Ich beobachtete ihn, nicht sicher, ob ich auf der Hut oder amüsiert sein sollte. Im Café Royal verkehrten zwar etliche exzentrische Charaktere, doch ihre Exzentrizität besaß eine eher affektierte Note, wenn sie etwa einen kleinen Veilchenstrauß oder samtene Knickerbocker trugen oder einen Spazierstock mit diamantenem Knauf in der Hand kreisen ließen. Dass jemand am Kaffee eines anderen Gastes roch, war meines Wissens noch nie vorgekommen.

Samuel Pinker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit halbgeschlossenen Augen inhalierte er sehr bewu