1. KAPITEL
Ihr war, als sei die Hochzeit ihrer besten Freundin erst gestern gewesen. Und jetzt … jetzt war sie bei deren Beerdigung.Laura ist tot. Laura … und auch Rick …, dachte Sabrina, während sie mit verweinten Augen auf die Särge blickte, die soeben an ihr vorbei aus der Kirche getragen wurden.
Sie schlug die Augen nieder, als der glutvolle Blick von einem der Männer sie traf, die den Sarg trugen. Wie unpassend, dachte sie, konnte aber nicht verhindern, dass ihr Herzschlag sich beschleunigte. Ein Prickeln lief über ihren Nacken. Obwohl sie den Kopf gesenkt hielt, konnte sie immer noch diesen Blick auf ihrer Haut spüren, wie den Hauch einer Liebkosung.
Instinktiv drückte sie Liv enger an sich, dann folgte sie langsam der Prozession der Trauergäste.Gott sei Dank wird Liv sich nie an den furchtbaren Unfall erinnern! Den Autounfall, der das vier Monate alte Baby so grausam seiner Eltern beraubt hatte. Sabrina hingegen würde niemals den schweren Geruch der Lilien vergessen können. Auch nicht die Trauer, die sich auf den Gesichtern der Freunde spiegelte, als die Särge in die Erde gelassen wurden und damit die grausame Gewissheit unterstrichen, dass Liv jetzt ganz allein auf der Welt war.
Nach der Beerdigung fanden sich die Trauergäste im Haus von Lauras Stiefmutter noch zu einem kleinen Umtrunk ein.
Ingrid Knowles war als leidgeprüfte Hinterbliebene ganz in ihrem Element. Mit einem stets gut gefüllten Glas Weißwein in der Hand ging sie von Gast zu Gast. Ihr Make-up war wie immer makellos, und jede Strähne ihres wasserstoffblonden, sorgfältig frisierten Haares zeugte von der Hingabe eines teuren Friseurs.
Sabrina hielt sich mit Liv ein wenig abseits, damit das Kind zur Ruhe kommen konnte. Die meisten von Lauras und Ricks engeren Freunden waren nur kurz geblieben – nur einer war noch da: Mario Marcolini. Dieser hatte sich gleich nach seiner Ankunft in eine ruhige Ecke zurückgezogen. An die Wand gelehnt stand er seitdem unbeweglich da. Er aß nichts, er trank nichts. Auf seinem Gesicht lag ein finsterer Ausdruck. Mit steinerner Miene beobachtete er das Treiben um sich herum.
Verstohlen warf Sabrina ihm hin und wieder einen Blick zu – und jedes Mal schien auch seiner gerade auf ihr zu ruhen.
Verlegen wandte Sabrina den Kopf ab. Eine feine Röte überzog ihre Wangen, als sie daran dachte, was bei der letzten Begegnung zwischen ihnen vorgefallen war.
Sie war Liv fast dankbar, als diese plötzlich zu weinen begann und Sabrina sich zurückziehen konnte, um sich um das Kind zu kümmern.
Als sie kurze Zeit später wieder den Salon betrat, war der Platz an der Wand leer. Sie nahm an, dass Mario gegangen war, und seufzte erleichtert auf, doch plötzlich spürte sie hinter sich eine Bewegung und erstarrte.
„Ich habe nicht erwartet, dich so bald wiederzusehen“, erklang Marios sonore Stimme direkt neben ihr.
„Ich … ich auch nicht“, erwiderte sie mit zitternder Stimme und wandte sich um, Liv schützend an sich gepresst. Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Was ist nur mit mir los?, fragte sie sich.Warum fühle ich mich in seiner Gegenwart immer wie ein Schulmädchen, das nicht bis drei zählen kann? Krampfhaft suchte sie nach Worten, um die Spannung zwischen ihnen zu durchbrechen, aber ihr wollte einfach nichts einfallen. Trotz ihrer fünfundzwanzig Jahre fühlte sie sich diesem gut aussehenden, weltgewandten Mann gegenüber linkisch und unbedarft.
„Es ist wirklich sehr nett von dir, dass du zur Beerdigung gekommen bist. Obwohl du doch kürzlich erst abgereist bist. Und Australien liegt ja nun auch nicht gerade um die Ecke.“
„Das war ja wohl das Mindeste, findest du nicht?“ Marios Stimme hatte einen seltsamen Unterton, als fiele es ihm schwer, zu sprechen.
Wieder breitete sich zwischen ihnen ein spannungsgeladenes Schweigen aus.
Nervös fuhr Sabrina sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Sie versuchte, jeden Gedanken an das, was vor ein paar Wochen zwischen ihnen beiden geschehen war, aus ihrem Kopf zu verbannen. Aber es wollte ihr nicht gelingen. Wieder war da diese Nähe … diese Nähe, die sie auch damals verleitet hatte …
„Lauras Stiefmutter scheint ja ganz in ihrem Element zu sein“, unterbrach Mario ihre Überlegungen.
„Ja. Sieht ganz danach aus. Ich bin nur froh, dass Lauras Vater nicht da ist. Laura wäre das Ganze so peinlich.“ Sabrinas Stimme versagte. Sie biss sich auf die Lippen und versuchte, di