1. KAPITEL
„Falls Sie Pläne für Weihnachten haben, sagen Sie sie ab“, befahl Colonel a. D. James McGuire, kaum dass Dino Angelis das Büro im obersten Stockwerk des Merceri Bank Building betreten hatte. Dino überquerte gemessenen Schrittes den ausladenden Orientteppich und musterte den großen, schroffen Mann, der hinter dem mit Schnitzereien verzierten Eichenschreibtisch stand.
Admiral Robert Maxwell, Dinos Boss, hatte seinen ältesten und besten Freund treffend beschrieben. James McGuire war ein schlanker Mann Anfang sechzig, der trotz seines weißen Haars deutlich jünger wirkte. Er war vor zwei Jahren aus der Army ausgeschieden und hatte zum zweiten Mal geheiratet, Gianna Merceri, die eines Tages das Merceri-Bankvermögen erben würde. Seitdem leitete er die Filiale in New York. Obwohl er einen tadellosen Anzug trug, verrieten Haltung und Befehlston den Exsoldaten.
„So ungern ich den Leuten auch die Feiertage ruiniere, aber der Job könnte mehr Zeit in Anspruch nehmen, als es irgendeinem von uns gefällt“, fuhr der Colonel fort.
Dino seufzte im Stillen. Na schön, seine Befürchtung, Weihnachten nicht nach Hause zu können, bewahrheitete sich. In der Regel stimmten neunzig Prozent seiner Vorahnungen, auch die in Bezug auf seine Familie. Diese Ahnungen traten immer wieder auf und hatten ihm schon oft das Leben gerettet. Allerdings würde dies das dritte Weihnachtsfest in Folge sein, das er nicht mit seiner Familie verbringen konnte. Abgesehen davon heiratete sein Cousin Theo Ende Dezember.
Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob er irgendwie um diesen Auftrag hätte herumkommen können. Dummerweise stand Admiral Maxwell in Colonel McGuires Schuld, und Dino stand in der Schuld seines Admirals. In den letzten zwei Jahren hatte er an Spezialeinsätzen unter Maxwells Kommando teilgenommen und war vor drei Monaten auf einer dieser Missionen angeschossen worden. Eine Kugel hätte beinah seine Wirbelsäule zerschmettert. Während der Genesung, erst in einem Krankenhaus in Deutschland und später in Washington, hatte er Zeit, darüber nachzudenken, wie er den Rest seines Lebens gestalten wollte. Er war zur Navy gegangen, weil er das Meer liebte, Abenteuer erleben und die Welt sehen wollte. Außerdem hatte er das Gefühl, dass es das Richtige für ihn sei, aber jetzt wollte er einen Job, der ihn nicht so sehr von seinen Cousins, seinem Onkel und seiner Mutter isolierte. Er vermisste die Nähe und die Verbundenheit zu seiner Familie. Admiral Maxwell hatte seinen Entschluss nicht nur verstanden, sondern sich auch sehr für seine Entlassung eingesetzt, und er, Dino, gehörte zu den Menschen, die ihre Schulden gern zurückzahlten.
Deshalb hatte er sich zu einem Job bereit erklärt, von dem er nichts wusste –, nur dass er McGuires Familie betraf. Diese Information hatte Maxwell natürlich als Köder benutzt, denn dem Admiral war klar, wie wichtig ihm die Familie war. Unter anderem wollte er ja deswegen aus der Navy ausscheiden. Maxwell wusste außerdem, dass er den Wunsch geäußert hatte, a