1. KAPITEL
Ohmeingott. Ohmeingott. Ohmeingott.
Das einzelne Wort wiederholte sich in ihrem Kopf wie eine altmodische Schallplatte, bei der sich die Nadel in einer Rille verhakt hatte.
„Ganz ruhig, Kelsey. Es wird wieder gut. Alles wird gut.“
Den letzten Satz sprach Kelsey Marlowe laut aus, als würde es ihr helfen, nicht die Fassung zu verlieren, während sie mit quietschenden Reifen vom Schulparkplatz raste.
Es half nicht.
Sie hatte Mühe, sich zu konzentrieren, sowohl auf die Straße vor ihr als auch auf die Gedanken, die wie Schrotkugeln aus einer Jagdflinte durch ihren Kopf sausten.
Vor ein paar Minuten hatte ihre Mutter angerufen, und seitdem stand sie unter Strom. Erst auf dem Weg zum Ausgang war Kelsey eingefallen, dass sie jemanden brauchte, der sie in ihrer Klasse vertrat. Jetzt hatte sie achtundzwanzig äußerst lebhafte Acht- und Neunjährige in der Obhut der Schulsekretärin zurückgelassen. Sie hatte erst zurückrennen müssen, und die Aktion hatte wertvolle Minuten gekostet.
Als sie den Freeway erreichte, packte sie das Lenkrad fester und trat das Gaspedal durch.
Komm schon, Kelsey, reiß dich zusammen!
Sie war sechsundzwanzig und konnte sich nicht erinnern, jemals so nervös, so voller Angst gewesen zu sein. Zumal ihre Mutter sie ausdrücklich gebeten hatte, ihren Brüdern nichts zu erzählen. Und ihrem Vater auch nicht. Niemand sollte erfahren, dass sie in der Notaufnahme des Blair Memorial Hospital lag.
Ihre sanftmütige Mutter war für sie der Fels in der Brandung. Felsen wurden nicht krank. Sie riefen nicht aus Notaufnahmen an. Felsen waren unerschütterlich und unverrückbar bis ans Ende der Zeit.
Kelsey fuhr sich durch das widerspenstige blonde Haar, holte tief Luft und zählte bis fünfzehn, bevor sie langsam wieder ausatmete. Aber auch das half nicht. Ihre Mutter hatte ihr keine Einzelheiten erzählt, sondern sie nur gebeten, so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu kommen.
Allein das beunruhigte Kelsey schon zutiefst. Ihre Mutter batniemals um Hilfe. Zierlich, blond und so stur wie alle ihre irischen Vorfahren zusammen, legte Kate Llewellyn Marlowe den größten Wert auf ihre Unabhängigkeit. Sie wurde nicht nur mit ihren eigenen Notfällen fertig, sondern bewältigte auch sämtliche Krisen, in die ein Familienmitglied oder Freund geriet.
Seit Kelsey denken konnte, war ihre Mutter ein Energiebündel, das sich von nichts und niemandem bremsen oder gar aus der Bahn werfen ließ. Die Frau hatte Multitasking zur Devise ihres Lebens gemacht, lange bevor der Begriff erfunden worden war.
Ihr musste etwas wirklich Schlimmes zugestoßen sein.
„Ich bleibe ruhig. Ich bleibe ganz ruhig“, flüsterte Kelsey immer wieder, als wäre es ein tröst