1. KAPITEL
Sie sah aus, als sei die Welt untergegangen. Über eine leere Tasse gebeugt, starrte sie aus dem Fenster, ohne etwas zu erkennen.
Giovanni konnte dieses Elend nicht länger mit ansehen. Also tat er genau das, was sein Vater getan hätte. Und das, obwohl er schon vor zehn Minuten schließen wollte. Er machte einen Cappuccino und stellte ihn vor die Frau auf den Tisch. „Hier“, sagte er leise.
Überrascht schaute sie auf. „Ich …“ Offensichtlich wollte sie protestieren, weil sie keinen neuen Kaffee bestellt hatte. Doch dann lächelte sie traurig und umschloss die Tasse mit beiden Händen, so als würde die Wärme ihr guttun. „Danke.“
„Kein Problem.“ Er reichte ihr ein Schokostäbchen. „Sie sehen aus, als könnten Sie es brauchen.“
„Stimmt“, gab sie zu. „Vielen Dank, Sie sind sehr aufmerksam.“ In der Handtasche suchte sie nach ihrem Portemonnaie. „Wie viel schulde ich Ihnen?“
„Nichts“, erklärte er mit einer abwehrenden Handbewegung.
Stirnrunzelnd fragte sie: „Wollen Sie Ärger mit Ihrem Boss bekommen?“
„Keine Sorge.“ Er lächelte. „Außerdem sind Sie Stammgast.“
Ihr Blick aus den wunderschönen blauen Augen – von derselben Farbe wie ein Sommerhimmel – wurde wachsam. „Wie meinen Sie das?“
Er zuckte die Achseln. „Jeden Mittwochmorgen um zehn nach neun bestellen Sie einen Cappuccino und ein Mandelcroissant zum Mitnehmen.“
Ihr Misstrauen verwandelte sich in Nervosität. „Woher wissen Sie das?“
Oh Gott. Womöglich hielt sie ihn für einen Verrückten, der sie beobachtete und sie verfolgte. Er hätte die Uhrzeit nicht erwähnen sollen. „Wenn man lange genug hier arbeitet, lernt man die Gäste kennen“, sagte er leichthin, in der Hoffnung, sie damit zu beruhigen. „Ich habe keine Croissants mehr, also habe ich Ihnen stattdessen die Schokolade mitgebracht. Das ist es doch, was Frauen brauchen, wenn es hart auf hart kommt, oder? Jedenfalls erzählen mir meine Schwestern das immer.“
„Das stimmt. Danke.“ Sie wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
„Möchten Sie reden?“
Sie schaute sich um und stellte fest, dass sie der einzige Gast war. „Oh, Entschuldigung. Ich halte Sie auf.“
„Ganz und gar nicht. Aber würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich kurz abschließe?“
Francesca dachte darüber nach. Ein Mann, der ihr Kaffee und Schokolade ausgab, konnte kein schlechter Kerl sein, oder? Er wusste zwar, was sie jeden Mittwochmorgen bestellte, aber, wie er sagte, lernte man die Vorlieben seiner Stammkunden rasch kennen. So wie sie selbst: Auch sie erkannte auf Anhieb, warum jemand anrief, und wusste sofort, ob sie ih