1. KAPITEL
Katie hatte sich die Toskana heiß und staubig vorgestellt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass der Himmel hier so strahlend blau war und die Luft nach Kräutern duftete.
„Man erwartet von Ihnen, dass Sie Ihre Arbeit zügig erledigen, Miss Carter. Signor Amato macht selten Zugeständnisse, schon gar nicht an Innenarchitekten!“ Eduardo, ein untersetzter, mit peinlicher Sorgfalt gekleideter Mann, beugte sich vor und klopfte an die Trennscheibe der Limousine, in der sie saßen. Er sagte kurz etwas auf Italienisch zu dem Chauffeur, bevor er sich wieder zurücklehnte. „Signor Amato muss heute Vormittag noch in sein Stadtbüro, und abends ist er Ehrengast bei dem Dinner einer australischen Delegation. Sein Arbeitstag ist straff organisiert und minutiös durchgeplant. Ich als sein persönlicher Assistent muss dafür sorgen, dass wir rechtzeitig eintreffen.“
„Tut mir leid, dass mein Flug gestrichen wurde. Ich wollte eigentlich schon gestern hier sein.“ Katie umfasste den Griff ihrer Aktentasche fester. Und dann hatte es ausgerechnet gestern einen Sicherheitsalarm gegeben. Dabei war dieser Traumjob wirklich wichtig für sie. Giovanni Amato war einer der öffentlichkeitsscheusten Multimillionäre der Welt. Und nun hatte sie durch die persönliche Fürsprache der Marchesa di San Marco den Auftrag bekommen, seiner Familienvilla ein neues Gesicht zu geben. Im erstenMoment hatte sie ihr Glück kaum fassen können. Alles war bis in die letzte Einzelheit geplant gewesen. Damit sie dem Grafen auch wirklich frisch und ausgeruht gegenübertreten konnte, hatte sie extra für die Nacht zuvor in Mailand ein Hotelzimmer gebucht. Doch dann waren alle ihre Pläne über den Haufen geworfen worden. Statt hellwach und konzentriert war Katie jetzt nach einer im Flughafen verbrachten schlaflosen Nacht nervös und übermüdet. Ihre Handflächen waren verdächtig feucht, außerdem klopfte ihr Herz zu schnell. So hatte sie sich ihren ersten Tag im Paradies nicht vorgestellt.
Hier zu arbeiten ist bestimmt keine Strafe, dachte sie, während sie durch eine idyllische Hügellandschaft fuhren. Immer wieder tauchten verstreut daliegende kleine Dörfer mit hübschen alten Häusern aus Stein auf. Schließlich bog die glänzende schwarze Limousine ab und hielt vor einem gewaltigen schmiedeeisernen Tor. Der Chauffeur ließ das Fenster herunter und schob eine Codekarte in den dafür vorgesehenen Schlitz. Gleich darauf glitt das Tor auf, und der Wagen fuhr langsam eine lange, mit Limonenbäumen gesäumte Auffahrt hinauf. Katie holte überrascht Luft, als eine klassische toskanische Villa in Sicht kam, die sich von der Größe her fast mit Windsor Castle messen konnte.
Während die Limousine vor dem Haupteingang vorfuhr, trat ein höchst effizient wirkender junger Mann in einem Designeranzug, Armani, wie Katie vermutete, aus dem Haus. Noch ehe der Wagen richtig angehalten hatte, riss er auf ihrer Seite die Tür auf. Die Hitze schwappte ins Innere und legte sich wie eine Thermodecke über Katie.
„Oh, was für ein herrliches Wetter Sie hier haben“, begann sie, aber das Personal der Villa Antico war nicht auf Small Talk eingestellt.
„Signor Amato erwartet Sie im weißen Büro, Miss Carter“, beschied der Butler Katie, bevor er an den persönlichen Assistenten gewandt fortfuhr: „Sie ist spät dran.“
„Sagen Sie mir einfach, wo es langgeht, ich beeile mich“, bat Katie.
Als Katie den kathedralenähnlichen lichtdurchfluteten Raum betrat, stand Conte Giovanni Amato mit dem Rücken zu ihr und telefonierte. Seine hochgewachsene schlanke Gestalt zeichnete sich schemenhaft vor der vom Boden bis zur Decke reichenden Fensterfront ab. Obwohl sein Gesicht im Schatten lag, erkannte Katie auf Anhieb, dass er eine unglaubliche Präsenz ausstrahlte. Er drehte sich halb zu ihr um und winkte sie befehlsgewohnt näher, allerdings ohne seinen italienischen Wortschwall zu unterbrechen. Er trug eine elegante Leinenhose, die von einem blütenweißen Hemd ergänzt wurde, doch um seine Erscheinung richtig würdigen zu können, muss