1. KAPITEL
Prinz As’ad von El Deharia schätzte einen reibungslosen Tagesablauf, wofür sein sorgfältig ausgewähltes Personal mit stets gleichbleibender Routine sorgte. Seine Arbeit im Palast machte ihm Freude, und er liebte die Verantwortung, die mit dem Ausbau der Infrastruktur des aufstrebenden kleinen Königreichs verbunden war.
Natürlich könnte er seine Stellung als reicher Prinz und Scheich auch nutzen, um sich ein schönes Leben zu machen. So sahen das zumindest einige seiner ehemaligen Kommilitonen. Doch das war nicht As’ads Welt.
Seine einzige Schwäche war seine Tante Lina. Deshalb erlaubte er ihr auch, unangemeldet in sein Büro zu platzen. Eine Entscheidung, die er später bereuen würde, doch das wusste er jetzt noch nicht.
„As’ad, du musst sofort mitkommen!“, bestürmte die sonst so beherrschte Lina ihn aufgeregt. „Im Waiseninternat gibt es Ärger. Ein Stammesfürst aus der Wüste ist dort aufgetaucht und erhebt Anspruch auf drei Schwestern. Natürlich weigern die Mädchen sich, und eine der Lehrerinnen droht, vom Dach zu springen, wenn du die Sache nicht regelst.“
„Warum ich?“
„Du bist bekannt für deine Vernunft und deinen Sinn für Gerechtigkeit. Wer sonst wäre besser geeignet als du?“, erwiderte Lina – und wich seinem Blick aus.
Sofort kam ihm der Verdacht, manipuliert zu werden. Seine Tante setzte gern ihren Kopf durch, und dafür war ihr jedes Mittel recht.
Sie bedachte ihn mit einem unschuldsvollen Blick, in den sich schiere Verzweiflung mischte. „Da ist wirklich die Hölle los. Bitte komm, As’ad.“
Widerstrebend fügte er sich. Was blieb ihm auch anderes übrig?
Eine Viertelstunde später wünschte As’ad sich ganz weit weg, am besten auf den Mond. In der Schule erwartete ihn ein unbeschreibliches Chaos. Schülerinnen weinten laut, verzweifelte Lehrerinnen, ebenfalls den Tränen nahe, versuchten Ordnung zu schaffen. Der Stammesfürst, eine imposante, hoch gewachsene Erscheinung, und seine Männer diskutierten hitzig mit einer zierlichen jungen Frau, deren Haar wie rotes Herbstlaub leuchtete. Hinter ihrem Rücken drängten sich besagte drei Schwestern schluchzend aneinander.
„Ich entdecke niemanden auf dem Dach.“ Er sah seine Tante fragend an.
„Nun, vermutlich hat sich die Lage inzwischen etwas entspannt, wenn auch nicht völlig, wie du selbst siehst.“
Lina hatte recht. Bewundernd betrachtete er die Frau mit den langen roten Haaren und der kämpferischen Miene, die dem Furcht einflößenden Stammesfürsten so tapfer die Stirn bot.
As’ad trat auf ihn zu und neigte zur Begrüßung respektvoll den Kopf. „Tahir, du verlässt die Wüste nicht oft, um uns mit der Ehre deiner Anwesenheit zu beglücken. Hast du vor, länger zu bleiben?“
Tahir zügelte seinen Zorn und verbeugte sich respektvoll. „Prinz As’ad. Endlich ein Mensch mit Verstand! Ich wollte Euch in der Stadt aufsuchen, doch diese Frau …“, er spuckte das Wort aus wie eine Beleidigung, „… macht Schwierigkeiten. Die Pflicht hat mich hergeführt sowie das Bedürfnis, die Gastfreundschaft der Wüste zu bekunden. Das begreift diese Amerikanerin offenbar nicht und hindert mich an der Erfüllung meiner ehrenvoll