1. KAPITEL
Die schmale, von Zypressen gesäumte Allee schlängelte sich von der Hügelkuppe ins Tal, durchschnitt es wie ein silbernes Band und führte in sanften Kurven auf der anderen Seite wieder in die Höhe. Eric wurde langsamer und bremste sein Motorrad knapp unterhalb der höchsten Stelle der Straße, um die herrliche Aussicht zu genießen. Dabei atmete er tief durch und freute sich einmal mehr, dass er sich beim Kauf seiner neuen Maschine und der dazugehörigen Ausrüstung für einen Helm ohne Visier entschieden hatte. So stieg ihm das würzige Aroma der Pinien, das die zarteren Gerüche der Olivenbäume und der blühenden Pflanzen und Gräser unterstrich, aber nicht überlagerte, angenehm in die Nase.
Unter ihm im Tal lag auf einer Seite der Straße ein dichter Pinienwald. Während der vergangenen drei Tage, seit seiner Ankunft auf diesem herrlichen Fleckchen Erde, waren die dichten Schatten dieser Wälder für ihn zum Inbegriff von Ruhe und Frieden geworden. Stundenlang konnte er dort sitzen und Pläne schmieden. Selbst die Erinnerung an die vergangenen Monate verlor dann ihren Schrecken. In jenen Momenten war er sich absolut sicher, dass seine Entscheidung richtig gewesen war, endlich zu tun, was er sich schon lange wünschte, und auf einem Weingut in der Toskana ein neues Leben zu beginnen.
Sein Blick wanderte auf die andere Seite des Tals, und plötzlich stockte ihm der Atem. Das musste es sein! Und es war genau so, wie er es sich ausgemalt hätte, hätte er genügend Fantasie gehabt, sich etwas vorzustellen, das sich so perfekt in die Landschaft einfügte. Die unterschiedlich großen Gebäude waren aus rötlichen Natursteinen erbaut und um einen freien Platz herum angeordnet, auf dem er selbst aus der Ferne herrliche Blumenbeete und große Pflanztröge erkennen konnte. Der Anblick, der sich ihm bot, wirkte wie gemalt, als würde er mit seinem Blick auf einem der zauberhaften Landschaftsgemälde spazieren gehen, die in den Florentiner Museen hingen. Jetzt wusste Eric, dass er am Ziel war.
Entschlossen gab er Gas, glitt auf der sanft schnurrenden feuerroten Ducati den Hügel hinunter und bog in die kiesbestreute Auffahrt ein zum Weingut mit dem klangvollen Namen Casavecchia, der auf einem Holzschild am Straßenrand zu lesen war.
Der kleine Sportwagen schoss so schwungvoll um die Kurve, die hinter einer Reihe blühender Büsche verborgen lag, dass Eric sich nur durch eine beherzte Bremsung und das gleichzeitige Ausweichen nach rechts retten konnte. Nachdem er sein Motorrad zum Stehen gebracht hatte, umgab ihn eine fast atemberaubende Stille, in der nur das leise Rascheln der Blätter im Wind zu hören war.
„Kommen Sie sofort aus meinem Hibiskus heraus! Sie brechen alle Blüten ab.“
Die Frauenstimme ließ Eric zusammenzucken. Nicht etwa vor Schreck, sondern weil er nicht im Traum damit gerechnet hatte, ausgerechnet in diesem abgelegenen Tal und in einem Augenblick, in dem er mit seinem ganzen Oberkörper in einem Busch steckte, einer Fee zu begegnen. Denn obwohl die Frau hinter ihm wütend klang, hörte sie sich erstaunlicherweise gleichzeitig wie ein zauberhaftes Märchenwesen an.
Himmel, dachte er, während er sich ein Blütenblatt von der Wange wischte und den Zweig, der ihm vor den Augen hing, zur Seite schob, lass sie alt und hässlich sein! Eine rundliche, energische italienische Mamma in Kittelschürze und Pantoffeln, die rein zufällig die Stimme eines Engels hat. Komplikationen konnte er jetzt nicht gebrauchen. Egal, wie sie aussah, er durfte nicht vergessen, dass er mit Frauen nichts mehr zu tun haben wollte.
„Jetzt haben Sie noch ein paar Äste mehr umgeknickt“, beschwerte sich die warme, klangvolle Frauenstimme. „Was haben Sie über