Hinter den letzten Häusern von Přední Výtoň, einem Dorf in den südlichen Ausläufern des Böhmerwaldes, machen Schneewehen den Weg unpassierbar. Eine meterhohe Barriere baut sich auf, wo der Traktor den Schneepflug gewendet hat. Jenseits zieht eine weiße Fläche hinauf zum Waldrand am Bergkamm. Die Feldwege, selbst die Weidezäune sind darin versunken. Mit klammen Fingern schnalle ich die Schneeschuhe an.
Die ersten Schritte im tiefen Schnee: behutsam den Schneeschuh mit der ganzen Tragfläche auf die Schneedecke aufsetzen und unter Einsatz der Teleskopstöcke das Körpergewicht dorthin verlagern. Die Oberfläche bricht. Schnee quillt durch Rahmen und Gitter. Es knirscht, knarrt und knarzt. Ich sinke ein. Aber nicht tief. Oberhalb des Knöchels, spätestens im unteren Bereich der Wade, kommt die Sinkbewegung zum Stillstand. Die Verstrebungen und geschlossenen Flächen des Schneeschuhs haben unter meinem Gewicht die Luft aus der Struktur des Schnees herausgepresst, ihn verdichtet und so fest getreten, dass er mich an dieser einen Stelle trägt. Sobald das Standbein Halt spürt, ziehe ich das andere nach, indem ich den Fuß nach oben anwinkele und den Schneeschuh aus der ovalen Vertiefung hebe, die er eingedrückt hat. Mit der nach oben gebogenen Front durchbricht er die vordere Kante des Abdrucks und kommt aus der Versenkung hervor. Es stäubt bis zum Knie hoch. Ohne Gamaschen wären die Hosenbeine schnell durchnässt. Zurück bleibt wieder ein kleines Relief im Schnee. Die nächste Bewegung: Das Gewicht des Oberkörpers wieder verlagern, das Bein strecken und den angehobenen Schneeschuh parallel an dem anderen vorbei heben. In einem Abstand, der weit genug ist, dass sie beim Aufsetzen nicht übereinandergeraten und sich verkanten, aber so eng, dass der Gang nicht breitbeiniger als nötig ausfällt. Eine Schrittlänge weiter vorne setze ich den Schneeschuh auf. Ich sacke ein, aber wiederum nicht sehr tief, vielleicht zwanzig Zentimeter, und finde Stand. Wie tief man kommt, ist vom Aufbau der Schneedecke abhängig, nicht von ihrer Höhe. Sehr pulvriger und sehr nasser Schnee geben am wenigsten Halt.
Das Prinzip des Schneeschuhgehens ist einfach: Du vergrößerst die Trittflächen deiner Fußsohlen und verteilst so dein Körpergewicht auf mehr Quadratzentimeter. Nach ein paar Schritten bekommst du ein Gespür dafür, wie tragfähig der Schnee dadurch geworden ist. Die anfängliche Angst zu versinken verfliegt und weicht einem Grundvertrauen. Der große Unterschied zum Skilaufen: Du gleitest nicht über die Oberfläche. Du watest im Schnee. Das alte deutsche Wort «stapfen», laut Grimms Wörterbuch «fest auftretend schreiten», trifft am besten diese besondere Art des Gehens. Durch den Schnee stapfen ist schweißtreibend und mühsamer als die Fortbewegung auf Skiern. Aber es braucht keine präparierten Loipen oder Pisten, keine geräumten Wege. Du bahnst dir – oder besser – spurst dir deinen eigenen Pfad im Unwegsamen. Dorthin, wo kein Pferd und keine Hunde den Schlitten ziehen, wo kein noch so bulliger Geländewagen, nicht einmal ein Snowmobil vordringt. Du bist autonom. Du gewinnst die Freiheit, auch im strengsten Winter aufzubrechen, wohin du willst.
Mein alter Traum: ein paar Tage auf Schneeschuhen durch weiße Wälder wandern. Dass ich auf den Böhmerwald verfiel, lag an Adalbert Stifter. Ein paar seiner Geschichten, die dort spielen und von Schneestürmen und eiszapfenbehangenem Hochwald erzählen, haben die Phantasie in Gang gesetzt. Nun liegt das Moldautal unter mir. Der Lipnostausee, der die Talsohle auf dreißig Kilometer Länge einnimmt, ist dick üb