: Lydia Cacho
: Sklaverei Im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104013978
: 1
: CHF 10.00
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Noch nie in der Menschheitsgeschichte war Sklaverei und Menschenhandel so verbreitet. Mit der modernen Sklaverei wird mehr Geld verdient als mit dem Drogenhandel. Unbeirrt kämpft die Menschrechtsaktivistin Lydia Cacho gegen den Kinder- und Sklavenhandel: Von Japan über Kambodscha und Europa bis nach Nord- und Südamerika ist sie undercover den Menschenhändlern auf der Spur. Lydia Cacho analysiert die weltweit verbreitete Kultur des Sexismus, weist eindrücklich nach, wie sexuelle Gewalt in diversen Kriegen gezielt als Waffe eingesetzt wird und welche neue Formen der Ausbeutung durch das Internet entstanden sind. Ein aufregendes Buch über eines der schockierendsten Themen unserer Zeit - mit einem Vorwort von Carolin Emcke.

Lydia Cacho, geboren 1963 in Mexiko-City, ist Journalistin und Menschenrechtlerin. Nach der Veröffentlichung ihres ersten Buches 2005, in dem sie einen überaus mächtigen Pädophilen-Ring in Mexiko aufdeckt, wurde sie verhaftet, gefoltert und einem jahrelangen Gerichtsverfahren unterzogen, in dem sie sich gegen die Klage der Diffarmierung behaupten musste. 2007 wurde sie freigesprochen, lebt seitdem aber unter ständiger Bedrohung in Mexiko. Für ihre investigativen Arbeiten wurde Lydia Cacho mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem PEN Canada One Humanity Award.

Einleitung


Als ich sieben Jahre alt war, warnte meine Mutter meine Schwester und mich, wenn wir auf die Straße gingen, sollten wir der Kinderfängerin aus dem Weg gehen. Die Kinderfängerin war eine alte Frau, von der es in der Nachbarschaft hieß, sie entführe Kinder: Sie locke sie mit Süßigkeiten in ihr Haus und verkaufe sie dann an Fremde. Damals kam mir die Geschichte wie ein Schauermärchen von Charles Dickens vor. Doch vier Jahrzehnte nach den Lektionen meiner Kindheit musste ich erfahren, dass dies keineswegs der Fall war und dass sich die Verschleppung von Frauen und Kindern zu einem der gravierendsten Probleme des21. Jahrhunderts entwickelt hatte. Für die meisten Menschen klingen Worte wie »Frauen-« oder »Mädchenhandel« wie ein fernes Echo aus grauer Vorzeit, als Piraten junge Frauen verschleppten und in fernen Ländern in Bordelle verkauften. Wir haben uns lange dem Glauben hingegeben, dass die Modernisierung und die globalisierte Marktwirtschaft mit der Sklaverei aufräumen würden und dass die Kinderprostitution, die sich noch in einigen dunklen Ecken der »unterentwickelten Welt« hielt, beim bloßen Kontakt mit den Gesetzen und der Zivilisation des Westens verschwinden würde. Die Recherchen, die ich für dieses Buch angestellt habe, belegen das genaue Gegenteil. Wir beobachten heute weltweit ein explosionsartiges Wachstum von kriminellen Netzwerken, die Mädchen und Frauen verschleppen, verkaufen und versklaven. Die Kräfte, die angeblich die Sklaverei beseitigen sollten, haben ihr in Wirklichkeit zu einer beispiellosen Expansion verholfen. Wir leben heute in einer Kultur, in der die Verschleppung, der Handel, der Missbrauch und die Zwangsprostitution von Mädchen und jungen Frauen zunehmend normal werden. Diese Kultur fördert die Verdinglichung des Menschen und tut so, als handele es sich dabei um eine Errungenschaft der Freiheit und des Fortschritts. Angesichts ihrer Versklavung durch eine unmenschliche Marktwirtschaft, die man der Menschheit aufzwingt und als unvermeidliches Schicksal verkauft, wählen Millionen von Frauen die Prostitution als geringeres Übel und ergeben sich in die Ausbeutung, die Misshandlungen und die Macht des organisierten Verbrechens.

 

Mafiosi, Politiker, Militärs, Unternehmer, Industrielle, religiöse Führer, Bankiers, Polizeibeamte, Richter, Auftragsmörder und ganz gewöhnliche Menschen – sie alle bilden das gewaltige Netzwerk des internationalen Verbrechens. Der Unterschied zwischen Einzeltätern beziehungsweise regional agierenden Banden einerseits und den globalisierten Verbrechersyndikaten andererseits liegt in der Strategie, den Methoden und der Vermarktung. Die internationalen Kartelle verdanken ihre Macht zweifelsohne der Tatsache, dass sie sich, egal wo sie aktiv werden, über den Weg der Korruption erheblichen wirtschaftlichen und politischen Einfluss verschaffen können. Der Kitt dieses Netzwerks ist die sexuelle Befriedigung, über die alle Beteiligten an den Früchten der Zwangsprostitution teilhaben: Die einen schaffen den Sklavenmarkt, andere beschützen ihn, und wieder andere fragen die menschliche Ware nach.

Das organisierte Verbrechen ist eine illegale Unternehmung mit dem Zweck der Gewinnerzielung. Die Akteure werden wechselweise als Gangsterbanden, Mafia, Syndikate oder Kartelle bezeichnet. Sie gehören der sogenannten Schattenwirtschaft an, die zwar keine Steuern entrichtet, sich aber mit den Hütern der staatlichen Ordnung arrangieren muss, um ihren Geschäften nachgehen zu können. Dieser Pakt zwischen der staatlichen Macht und dem organisierten Verbrechen betrifft vor allem den Handel mit Waffen, Drogen und Menschen. Die Aktivitäten dieser kriminellen Organisationen bestehen in erster Linie aus Raub, Betrug und dem illegalen Handel mit Waren, Di