: Erasmus von Rotterdam
: Lob der Torheit Fischer Klassik PLUS
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104012414
: Fischer Klassik Plus
: 1
: CHF 4.00
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 270
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Das berühmteste Buch des Erasmus von Rotterdam ist ein Meisterwerk der Satire und Ironie. Im 16. Jahrhundert war es eines der einflussreichsten Pamphlete, das Humanismus und Reformation den Weg bereitete. Da sich aber hinter den historischen Masken der menschlichen Dummheit ewig wiederkehrende Gesichter verbergen, finden wir uns auch heute in ihnen wieder: als eitle Allesversteher etwa und Gefangene des Wohlstandskäfigs, nicht zuletzt aber auch als Narren unserer ganz privaten, ach so heiligen Gefühle.

Erasmus von Rotterdam wurde am 28. Oktober 1466 oder 1469 in Rotterdam geboren. Seine Schulausbildung erhielt er in Gouda und Deventer, um 1487 war er Augustinerchorherr in Steyn bei Gouda. 1492 zum Priester geweiht, war er 1493 Sekretär des Bischofs von Cambrai. Von 1495 bis 1505 studierte er in Paris Theologie, danach hielt er sich längere Zeit in England und Italien auf und ab 1514 in Basel. Den Zeitgenossen wie der Nachwelt gilt Erasmus, der am 11. oder 12. Juli 1536 in Basel starb, als der größte Humanist nördlich der Alpen.

Lobredewelche die Narrheit sich selbst hält


Was die Sterblichen auch immer von mir schwatzen mögen (ich weiß es, meine Herren, ich weiß es, in welchem bösen Rufe die Narrheit auch bei den größten Narren steht), so bin doch ich es, ich, wie Sie mich hier vor sich stehen sehen, durch deren übermenschliche Kraft den Herzen der Götter und der Menschen die muntersten Freuden eingeflößt werden. Wollen Sie hierüber einen Beweis? Hier ist ein überzeugender:

Kaum war ich aufgetreten, um in dieser zahlreichen Versammlung eine Rede zu halten, so ward plötzlich jedes Antlitz mit einem neuen und ungewöhnlichen Schimmer der Fröhlichkeit übergoldet; plötzlich entfaltete sich jede Stirn; im hellsten liebenswürdigsten Lächeln wird mir von allen Orten der holdeste Beifall zugewinkt. Wo ich meinen Blick hinrichte, sehe ich Gesichter, die mich nicht anderst denken lassen, als jedermann habe sich bei dem Nektar, dem es die Homerischen Götter bei ihrem Gelache gewiß an dem Safte des die Traurigkeit verbannenden Ochsenzungenkrautes nicht fehlen lassen, in die beste Laune getrunken: und vorhin sah jeder so finster und grämlich aus, als ob er geradesweges aus einer Eremitenzelle zurückkomme. Wie wenn die Sonne am frühen Morgen ihr goldschönes Antlitz der Erde zuwendet; wie wenn nach dem rauhen Winter der neue Frühling mit seinem belebenden Hauche kömmt: jugendlich glänzt das Antlitz der ganzen Natur; Farbe, Anzug, alles hat sich verjüngt: also, meine Herren, hat sich auch auf ihren Angesichtern, sobald sie einen Blick auf mich gerichtet hatten, alles geändert. Große Redner! schwarze Sorgen wollt ihr aus den Herzen der Zuhörer verbannen; und wie betreibt ihrs? In einer viele Nächte hindurch abgezirkelten langweiligen Rede arbeitet ihr oft vergeblich daran. Schämet euch! Sehet, mit einem einzelnen Blicke hab ichs zu Stande gebracht!

Warum ich heute in einem so ungewöhnlichen Aufputze erscheine? Sie werden es sogleich vernehmen, meine Herren, wenn es ihnen nicht zu beschwerlich ist, mir ein geneigtes Ohr zu gönnen; aber bei Leibe ja nicht ein solches, das Sie den ehrwürdigen Kanzelrednern zuwenden, sondern ein solches, das Marktschreiern, Possenspielern und Lustigmachern immer offen steht; ein solches, wie ehedem unser Midas dem Pan ein stattliches Paar zuwendete.

Mich hat die Laune angewandelt, mich Ihnen für eine Weile als Sophistin zu weisen; nicht von der Art jener, die in unsern Zeiten der Schuljugend einige Armseligkeiten ängstlich einbläuen, und dabei lärmend ein mehr als weibisches Gekeif ergellen lassen. Ich werde jene Alten nachahmen, die sich, um dem mir so verhaßten Namen der Weisen klüglich auszuweichen, Sophisten nannten. Sie übernahmen es, das Lob der Götter und der Helden herauszustreichen. Man halte sich also in Bereitschaft, eine Lobrede anzuhören; nicht auf einen Herkules, einen Solon, sondern auf mich, d.i. auf die Narrheit.

Ich mache mir nicht das geringste daraus, wenn jene Weisen jeden, der sich selbst lobt, für einen Narren und Unverschämten ausschreien. Närrisch so viel sie wollen, wenn sie nur eingestehen, daß es dem Charakter angemessen sei. Und was könnte sich für die Narrheit besser schicken, als ihr Lob selbst auszuposaunen, und nach ihrer eigenen Pfeife zu tanzen? Wer wird mich natürlicher schildern, als ich es selbst tun kann? Wer steht in genauerer Bekanntschaft mit mir, als ich?

O ja, man wird mir eingestehen, daß ich mich noch bescheidener betrage, als der Haufe der Großen und Weisen, welche bei einer verkehrten Schamhaftigkeit, einen fuchsschwänzerischen Schwätzer, oder einen windichten Dichter mit barem Gelde dingen, um aus seinem Munde ihr eigenes Lob anhören zu können; das ist, eitele Lügen: und dann steht der Schamprahler da, wie der Pfau, der mit dem ausgebreiteten Schweife stolzi