1. KAPITEL
Im Licht der untergehenden Sonne war der gewundene Weg nur schwer zu erkennen. Deshalb musste Penny langsam gehen, obwohl sie am liebsten gelaufen wäre.
Sie wollte so schnell wie möglich weg von der Villa und niemals dorthin zurückkehren.
Doch wenn sie jetzt ging, dann würde sie sich eingestehen müssen, dass ihr Traum von der Liebe wie eine Seifenblase zerplatzt war.
Penny wusste nicht, ob sie sich dafür schon bereit fühlte. Denn sie wollte nicht wahrhaben, dass ihr geliebter Ehemann nie mehr zurückkommen würde.
Am Kiesstrand angelangt, streifte sie ihre Sandaletten ab und ging barfuß weiter. Draußen auf dem Meer konnte sie schemenhaft ein kleines Ruderboot erkennen. Darin saß ein breitschultriger Mann, der einen Sonnenhut trug und angelte.
Selbst jetzt noch schauderte sie bei dem Anblick einer Person auf dem Wasser. Denn irgendwo dort draußen, Tausende von Kilometern entfernt, hatte Zarek sein Leben gelassen und in der Tiefe des Meeres sein Grab gefunden.
Und sie musste sich mit noch etwas viel Schlimmerem abfinden, nämlich dass Zarek sie nie wirklich geliebt hatte. Ihre kurze Ehe war für ihn nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Eine kühl kalkulierte Geschäftsverbindung. Er hatte sie nur geheiratet, damit sie ihm einen Erben schenkte. Eine Tatsache, die Penny schwer zu schaffen machte. Trotzdem konnte sie ihn nicht loslassen.
Oberhalb des kleinen Hafens fand Penny einen kleinen Felsen, auf den sie sich setzte. Das Kinn in die Hände gestützt, beobachtete sie aus zusammengekniffenen Augen das kleine Ruderboot, das auf den Wellen schaukelte. Inzwischen war es fast dunkel, und während sie starr in die Ferne blickte, ließ sie widerstrebend die Szene, die sie gerade erlebt hatte, Revue passieren.
„Penelope …“
Sie war gerade dabei, die Villa zu verlassen, als sie beim Klang der Stimme hinter sich erstarrte.
„Wo willst du hin?“
Nur eine Frau, die sie kannte, hatte einen derart eisigen Tonfall. Und nur eine Frau nannte sie auf diese vorwurfsvolle Art und Weise Penelope. Alle anderen, ihre Familie und ihre Freunde, benutzten die Kurzform Penny.
Nicht so ihre Schwiegermutter – oder vielmehr ihre Stiefschwiegermutter.
„Ich wollte spazieren gehen.“
„Zu dieser Tageszeit?“
„Abends finde ich es angenehmer, weil es kühler ist.“
Noch immer hatte sie sich nicht umgedreht. Aber auch so sah sie die elegante Erscheinung von Hermione Michaelis vor sich. Diese achtete penibel auf ihre schlanke Linie und wollte mit ihren schwarz gefärbten Haaren offensichtlich jünger wirken, als sie es mit neunundfünfzig war.
„Ich habe mich immer noch nicht richtig an die Hitze hier gewöhnt“, fügte Penny hinzu.
„Immer noch nicht? Nach so langer Zeit?“, hakte ihre Schwiegermutter verständnislos nach.
Penny biss sich auf die Lippe, um sich eine passende Antwort zu verkneifen. Seit Zareks Verschwinden vor zwei Jahren lebte sie mit ihrer Schwiegermutter zusammen. Notgedrungen, denn Hermione machte ihr das Leben absichtlich schwer. Als zweite Frau von Darius Michaelis hatte sie von Anfang an die alleinige Kontrolle über die Odysseus Reederei haben wollen. Die unerwünschte Schwiegertochter stand ihr dafür im Weg. Und das schon viel zu lange, ärgerte sich Hermione. Denn Pennys Glück schien zwar zerstört, aber nicht ihre Hoffnung auf Zareks Rückkehr.
„Ich möchte mich nicht unn