2. KAPITEL
„Ich muss eben alles ausstöpseln“, sagte Avis Lorimer und schüttelte dabei resigniert den Kopf, sodass ihre üppigen schokoladenbraunen Locken hüpften.
Sie war zweiunddreißig und seit drei Jahren verwitwet. Nach dem Tod ihres Mannes, der fast zwanzig Jahre älter gewesen war, hatte sie seinen kleinen Hobbyladen übernommen und verdiente sich dadurch einen bescheidenen Lebensunterhalt.
Nun hatte Ian Keene verfügt, dass sie entweder die elektrisch betriebenen Artikel wie Spielzeugeisenbahnen, beleuchtete Puppenstuben und Strickmaschinen ausstöpseln oder aber neue Stromkreise und Sicherungen installieren lassen musste. Dabei kümmerte es den verbissenen Inspektor nicht, dass Avis sich keine neuen Sicherungen leisten konnte und gerade die eingeschalteten Geräte Kundschaft anlockten.
„Es ist nicht fair“, murrte Valerie.
„Fair vielleicht nicht“, meinte Gwyn Dunstan und füllte die Kaffeetassen auf. „Aber er versteht sein Handwerk. Und davon abgesehen sieht er verdammt gut aus.“
Gwyn war sechsunddreißig, geschieden und zweifache Mutter. Sie schuftete tagtäglich viele Stunden in ihrem kleinen Café, stand im Morgengrauen auf, um zu backen, und schloss erst am späten Nachmittag. Die harte Arbeit hatte Spuren hinterlassen. Zum Glück hatte ihr Geschäft bei dem Brandschutzinspektor recht gut abgeschnitten. Sie musste nur einige Regale umstellen.
„Er mag gut aussehen“, räumte Sierra Carlton ein, „aber er ist total nüchtern und unbestechlich. Ich habe weiß Gott versucht, ihm schöne Augen zu machen.“ Aufreizend klimperte sie mit ihren golden getuschten Wimpern und strich sich dabei verführerisch über ihren langen roten Zopf.
Gwyn und Avis lachten, aber Valerie verspürte einen Anflug von … nun, Besorgnis musste es sein. Schließlich hatte Sierra am schlechtesten von den drei „Mädels“ im Einkaufszentrum abgeschnitten. Ian Keene hatte in ihrem Blumengeschäft zahlreiche Verstöße gegen die Brandschutzverordnung vorgefunden, und seitdem wirkte ihre von Natur aus überschäumende Persönlichkeit sehr bedrückt.
Die vier Frauen teilten sich das Einkaufszentrum mit einem Versicherungsagenten und einem Chiropraktiker, die sich als Ehemänner jedoch abseits hielten. Die „Mädels“ dagegen kamen täglich zusammen, wenn Gwyn das Café schloss. So konnten sie sich ungestört unterhalten und dabei ihre Geschäfte im Auge behalten.
„Das wird richtig ins Geld gehen“, betonte Valerie für den Fall, dass jemandem der Ernst der Lage entgangen sein könnte.
Sierra nickte. „Und der einzige Kunde, den ich bisher hatte, war Edwin.“
„Hat er mal wieder ein Dutzend Nelken geholt?“, fragte Gwyn.
„Natürlich. Sechs für seine Schwester und sechs für das Grab seiner Frau.“ „Du solltest sie ihm nicht zum Selbstkostenpreis geben“, meinte Gwyn. „Ich kann nicht anders. Der arme alte Mann muss offensichtlich jeden Penny dreimal umdrehen.“ Gwyn schnaubte verächtlich. „Wahrscheinlich hat er immer noch den ersten, den er je verdient hat.“ „Dann ist der bestimmt einen ordentlichen Batzen wert“, warf Avis ein.
„Du hast mit Sicherheit viel zu viel für die alten Münzen bezahlt, die du ihm a